Genetik

Mit der Genschere gegen Gehörverlust

CRISPR/Cas9 repariert genetisch bedingte Hörstörung

Die Genschere kann jede beliebige DNA-Sequenz präzise wie ein Skalpell ausschneiden und ersetzen. © Wildpixel/ iStock.com

Hörvermögen bewahrt: Forscher haben mit der als Durchbruch gefeierten Genschere CRISPR/Cas9 erstmals eine genetisch bedingte Hörstörung korrigiert. In Versuchen mit Mäusen schaltete das Werkzeug erfolgreich die fehlerhafte Kopie eines Gens aus, die zu fortschreitendem Gehörverlust und Taubheit führt. Als Folge blieb zumindest ein Teil des Hörvermögens der Tiere erhalten. Künftig könnte dieser Ansatz auch menschlichen Patienten helfen, so die Hoffnung.

Die Genschere CRISPR/Cas9 gilt als Durchbruch für die Gentherapie. Denn mit diesem Werkzeug lassen sich Mutationen im Erbgut einfacher und gezielter reparieren als zuvor. Forscher haben es unter anderem bereits genutzt, um Mäuse von der Duchenne-Muskeldystrophie zu heilen und eine Alzheimer-Mutation in menschlichen Zellen zu korrigieren. Auch der Gendefekt der Sichelzellen-Anämie wurde mithilfe der Genschere bereits repariert.

Ein weiterer Erfolg in Sachen CRISPR/Cas9 ist nun Xue Gao von der Harvard University in Cambridge und ihren Kollegen gelungen: Sie haben mit der Methode eine genetisch bedingte Hörstörung behandelt. Ein einziger falscher Buchstabe in nur einer Kopie eines Gens namens TCM1 kann beim Menschen zu fortschreitendem Gehörverlust bis hin zu Taubheit führen – diese Mutation ist einer von vielen Gendefekten, die schwerwiegende Einschränkungen der Hörfähigkeit zur Folge haben können.

Schwerhörige Mäuse

Um zu überprüfen, ob die Genschere solche vererbbaren Hörstörungen beheben kann, schleusten die Wissenschaftler den Molekül-Komplex direkt in die feinen Haarzellen im Innenohr von neugeborenen Mäusen ein. Die Tiere waren an dem Defekt im TCM1-Gen erkrankt: Sie hätten im Laufe ihres Lebens immer schlechter gehört und wären schließlich taub geworden. Wie würde sich ihr Hörvermögen entwickeln, nachdem CRISPR/Cas9 die kaputte Genkopie ausgeschaltet hatte?

Aufnahme der beiden Innenohren einer Maus mit vererbter Hörstörung (Haarzellen in grün): links ohne Behandlung, rechts nach CRISPR/Cas9-Therapie © Gao et al./ Nature 2017

Es zeigte sich: Dank der Behandlung überlebten mehr der feinen Härchen im Innenohr der Nager – als Folge behielten sie zumindest einen Teil ihres Hörvermögens. Während unbehandelte Mäuse nach vier Wochen bereits nicht mehr auf Geräusche unterhalb von 80 Dezibel reagierten, zeigten die therapierten Versuchstiere immerhin noch Reaktionen bis zu einer Lautstärke von 65 Dezibel. Auch nach acht Wochen erschreckten sich diese Tiere, wenn es plötzlich sehr laut wurde. Die Kontrollgruppe reagierte zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr auf solche Geräusche.

Hohe Präzision

Genetische Sequenzierungen offenbarten, wie präzise die Genschere gearbeitet hatte: In 94 Prozent der behandelten Zellen hatte das Werkzeug an der richtigen Stelle im Erbgut angesetzt und nur in sechs Prozent die intakte anstatt der defekten Kopie des Gens getroffen. Die Forscher konnten zeigen, dass diese hohe Erfolgsquote auch damit zu tun hatte, wie sie die Genschere an ihren Wirkort brachten – nämlich direkt und als bereits vollständig zusammengebauten Molekülkomplex.

Wurde CRISPR/Cas9 dagegen in Form von einzelnen DNA-Elementen eingeschleust, die die Zellen dann selbst zur Produktion der Genschere nutzen können – ein oftmals verwendetes Verfahren -, sank die Genauigkeit und damit die Sicherheit der Behandlung.

Potenzial für die Zukunft

Wie Gao und ihre Kollegen betonen, geht fast die Hälfte aller weltweiten Taubheitsfälle zumindest zum Teil auf genetische Faktoren zurück – dank der Genschere könnten Betroffene einem solchen Schicksal künftig entgehen. „Es ist zwar noch viel Forschung nötig, bevor die Methode zu einer Therapie für den Menschen wird. Trotzdem freuen wir uns und sind aufgeregt, dass die Behandlung im Tiermodell schon einmal erfolgreich war und dazu beitragen konnte, einen Teil des Hörvermögens zu bewahren“, schließt Gaos Kollege Richard Merkin. (Nature, 2017; doi: 10.1038/nature25164)

(Nature/ Massachusetts Eye and Ear Infirmary, 21.12.2017 – DAL)

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