Schutz fürs Gehirn: Das Spurenelement Selen ist nicht nur für unseren Stoffwechsel wichtig, sondern auch für unser Gehirn. Denn es bewahrt bestimmte Hirnzellen davor, irrtümlich mittels Zelltod abzusterben. Fehlt dagegen ein selenhaltiges Enzym, werden diese Neuronen bei oxidativem Stress abgebaut, wie Forscher bei Versuchen mit Mäusen herausgefunden haben.
Selen ist ein essenzielles Spurenelement und damit überlebenswichtig für den Menschen, viele Tiere und manche Bakterien. Es ist in der Aminosäure Selenocystein enthalten und bildet das reaktive Zentrum mehrerer wichtiger Enzyme in unserem Körper. Zudem gilt Selen wegen seiner großen Affinität zu Sauerstoff als effektives Antioxidans und damit als Schutzfaktor der Zellen vor aggressiven Sauerstoffverbindungen.
Dass Selen auch für die Gesundheit unserer Hirnzellen wichtig ist, haben nun Irina Ingold und ihre Kollegen vom Institut für Entwicklungsgenetik (IDG) des Helmholtz Zentrums München herausgefunden. Für ihre Studie züchteten sie Mäuse, bei denen ein bestimmtes selenhaltiges Enzym verändert war: Statt Selen in Form der Aminosäure Selenocystein enthielt die Glutathionperoxidase 4 (GPX4) bei diesen Tieren eine schwefelhaltige Verbindung.
Wichtige Hirnzellen fehlen
Die Folge: Die mit diesem veränderten Enzym geborenen Mäuse waren nicht länger als drei Wochen lebensfähig. Wie die Forscher feststellten, fehlten im Gehirn dieser Tiere bestimmte Nervenzellen – sie waren im Laufe der frühen Entwicklung durch eine als Ferroptose bekannte Form des Zelltods zugrunde gegangen. Offenbar schützt erst die Präsenz des selenhaltigen GPX4 diese Hirnzellen vor dem irrtümlichen Abbau.
„Unsere Studie belegt zum ersten Mal, dass Selen ein essenzieller Faktor für die postnatale Entwicklung eines ganz bestimmten Typs von Nervenzellen ist“, sagt Ingolds Kollege José Pedro Friedmann Angeli. Das erkläre, warum Selen für Säugetiere so essenziell sei.
Schutz vor oxidativem Stress
Nähere Analysen ergaben auch, warum das selenhaltige Enzym die Hirnzellen schützen kann: Der Zellabbau durch Ferroptose wird vor allem bei starkem oxidativen Stress ausgelöst, wie er durch die hohe Stoffwechselaktivität und Signalübertragung in Nervenzellen typisch ist. „Selenhaltiges GPX4 schützt die Nervenzellen vor oxidativem Stress und dem dadurch bedingten Absterben“, so Friedman Angeli.
Künftig wollen die Wissenschaftler untersuchen, wie und wo genau in der Zelle die Ferroptose ausgelöst wird. Langfristig geht es ihnen darum, die Rolle der Ferroptose bei verschiedenen Erkrankungen zu verstehen, um derzeit noch nicht oder nur schwer therapierbare Erkrankungen wie Krebs oder Neurodegeneration lindern zu können. (Cell, 2017; doi: 10.1016/j.cell.2017.11.048)
(Helmholtz Zentrum München, 05.01.2018 – NPO)