Bedrohliche Fluten: Bis 2040 werden weltweit Millionen Menschen zusätzlich von Überschwemmungen betroffen sein. Allein in Deutschland könnte die Zahl der Betroffenen um das Siebenfache ansteigen, warnen Forscher auf Basis aktueller Daten. Ihre Studie zeigt: Soll eine Zunahme der Hochwasserschäden verhindert werden, müssen selbst Länder mit bereits gutem Hochwasserschutz wie Deutschland noch kräftig aufstocken
Das Problem ist nicht neu: Schon seit Jahren prognostizieren Klimaforscher eine Zunahme von Starkregen, nassere Winter und damit verbunden ein immer häufigeres und stärkeres Hochwasser. Erst 2017 überschwemmte extremer Monsunregen große Teile Asiens, der Tropensturm Harvey ließ Houston im Wasser versinken. Und aktuell sorgen Tauwetter und anhaltende Regenfälle für Überschwemmungen in Süddeutschland und hohe Pegel vor allem im Rhein.
Wie hoch ist das Risiko?
Doch was bedeutet dies für die Zukunft? Sind wir ausreichend gegen künftige Überschwemmungen geschützt? Das haben nun Sven Willner vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und seine Kollegen untersucht. Ihre Studie zeigt für Regionen und sogar Städte weltweit, wo wieviel getan werden muss, um den Hochwasserschutz bis zum Jahr 2040 zumindest auf dem heutigen Niveau zu halten.
Die Forscher ermittelten mit verschiedenen Klimamodellen zunächst, wie sich die Flusspegel und Hochwasserrisiken weltweit entwickeln werden. Dann prüften sie, wie weit der aktuelle Hochwasserschutz in den einzelnen Ländern und Regionen reicht. „Auch wenn unsere Daten nicht für alle Flüsse bis in die entlegensten Winkel unseres Planeten perfekt sind: Sie reichen in jedem Falle für die Regionen aus, in denen viele Menschen leben“, erklärt Willner.
Deutliche Verschärfung der Lage
Das Ergebnis: Das Überschwemmungsrisiko wird schon in den nächsten Jahrzehnten in vielen Regionen deutlich zunehmen. Besonders betroffen sind davon vor allem Nordamerika, der Norden Europas und der Nordosten Asiens. Wenn nichts getan wird, dann könnten in diesen Regionen bald rund zehn Prozent mehr Menschen von Hochwasser betroffen sein als heute.
Allein in Deutschland könnte die Zahl der potenziell Betroffenen um das Siebenfache steigen – von 100.000 auf 700.000, so die Prognose. In Asien könnten bis 2040 mehr als 156 Millionen Menschen durch Überschwemmungen bedroht sein – gut doppelt so viele wie heute. Besonders betroffen sind Pakistan, Indien und Teile Chinas, wie die Forscher berichten.
Aufstocken tut not
Das bedeutet auch: Der aktuelle Hochwasserschutz reicht in diesen Regionen nicht aus. „Wir waren überrascht, dass selbst in Industrieländern mit guter Infrastruktur noch große Anpassungen nötig sind“, berichtet Koautor Anders Levermann vom PIK. Ohne verstärkte und erhöhte Deiche, strengere Bauvorschriften und ein verbessertes Flussmanagement werden sich die Hochwasserfolgen selbst bei uns deutlich verschlimmern.
Konkret ermittelten die Forscher, dass Norddeutschland seinen Hochwasserschutz um eine bis drei Stufen erhöhen muss, in Frankreich müssen die Gebiete entlang der Rhone, Loire und Seine um mindestens eine Stufe aufstocken. In den USA werden 42 der 50 Bundesstaaten vermehrte Überschwemmungen erleben, wenn sie nicht ebenfalls zwischen einer und drei Stufen aufrüsten, so die Prognose.
Maßnahmen, die heute gegen alle 20 Jahre auftretende Pegelstände schützen, müssen beispielsweise so angepasst werden, dass sie auch „Jahrhunderthochwassern“ standhalten – denn diese werden dank des Klimawandels bald deutlich häufiger auftreten.
Warnung für Alle
„Diese Ergebnisse sollten eine Warnung für Entscheider sein“, sagt Levermann. „Wenn sie dieses Problem ignorieren, wird es traurigerweise zur Katastrophe kommen.“ Nur rechtzeitige Anpassungsmaßnahmen können verhindern, dass schon bald Millionen Menschen weltweit zusätzlich ihr Leben, ihre Heimat und ihr Hab und Gut durch Flusshochwasser verlieren werden.
Und noch etwas betonen die Wissenschaftler: Die Klimafolgen bis 2040 werden größtenteils von den Emissionen geprägt, die die Menschheit bereits freigesetzt hat. Dieser Trend ist damit nahezu unausweichlich. Doch wenn jetzt nichts gegen den Klimawandel getan wird, könnte die Lage in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts noch dramatischer werden.
„Wenn wir den anthropogenen Klimawandel nicht auf unter zwei Grad Celsius begrenzen, wird das Risiko für Flusshochwasser in vielen Regionen auf ein Niveau steigen, an dass wir uns nicht mehr anpassen können“, warnt Willner. „Wir müssen jetzt beides tun: Anpassung an den bereits verursachten Klimawandel und Begrenzung zukünftiger Erwärmung. Wenn wir nichts tun, wird es gefährlich.“ (Science Advances, 2018; doi: 10.1126/sciadv.aao1914)
(Potsdam Institut für KLimafolgenforschung (PIK), 11.01.2018 – NPO)