Maschinenhirn mit Forschergeist: Physiker haben eine künstliche Intelligenz entwickelt, die neue Quanten-Experimente ersinnen und ausprobieren kann. Der Computer leistet damit echte wissenschaftliche Entwicklungsarbeit – statt wie bisher nur die Daten solcher Experimente auszuwerten. Durch virtuelles Ausprobieren lernt das Maschinenhirn selbstständig, welche Ansätze sinnvoll sind und welche nicht.
Lernfähige Computersysteme sind fast schon allgegenwärtig: Sie stecken in unserem Smartphone, lancieren als Webbots Tweets und Artikel im Netz oder helfen beim Entlarven von Fake News und gefälschten Bildern. Sogar in der Justiz, bei der medizinischen Diagnose oder Sicherheitsschecks von Atomkraftwerken sind inzwischen intelligente Algorithmen im Einsatz.
Vom leeren Tisch zum fertigen Experiment
Eine Ausnahme aber gibt es bisher: Das Ersinnen und Planen wissenschaftlicher Experimente und Forschungsarbeiten ist bisher rein in menschlicher Hand – noch. Denn jetzt haben Alexey Melnikov von der Universität Innsbruck und seine Kollegen eine künstliche Intelligenz entwickelt, die selbstständig Quantenexperimente entwickeln und virtuell ausprobieren kann.
Am Anfang steht ein leerer Labortisch für photonische Quantenexperimente. Der künstliche Agent versucht nun neue Experimente zu entwickeln, indem er Spiegel, Prismen oder Strahlteiler virtuell auf dem Tisch anbringt. Führen seine Aktionen zu einem sinnvollen Ergebnis, merkt der Agent sich das und greift bei späteren Versuchen wieder darauf zurück. Das System speichert dabei viele einzelne Erfahrungsfragmente, die netzwerkartig miteinander verbunden sind.
Lernen aus Erfolg und Misserfolg
Das Entscheidende dabei: Das intelligente System lernt sowohl aus Erfolg als auch aus Misserfolg und passt ihr neuronales Netzwerk entsprechend an. „Wenn wir im Gedächtnis der Maschine die Ergebnisse analysieren, sehen wir, dass sich bestimmte Strukturen entwickelt haben“, erklärt Hendrik Poulsen Nautrup von der Universität Innsbruck. In ersten Versuchen hat das System dadurch bereits selbständig experimentelle Techniken (wieder)entdeckt, die in quantenoptischen Labors Standard sind.
Gleichzeitig kann das Maschinenhirn aber auch ganz neue Szenarien erzeugen und diese ausprobieren. „Die intelligente Maschine sucht immer den besten Weg, wie etwas umgesetzt werden kann, und generiert so optimierte Experimente“, erklärt Melnikov. „Und manchmal liefert sie auch Antworten auf Fragen, die wir gar nicht gestellt haben.“ Dies zeige, dass Maschinen in Zukunft auch eine kreativ unterstützende Rolle in der Forschung einnehmen könnten.
Kann eine KI kreativ sein?
Zurzeit ist die künstliche Intelligenz noch darauf getrimmt, jeweils ein ganz bestimmtes Problem selbständig experimentell zu lösen. Die Forscher geben dabei jeweils die Aufgabenstellung vor. In Zukunft aber wollen die Wissenschaftler das lernfähige Programm noch weiter ausbauen – es soll dann von selbst ganz neue Aufgaben angehen.
Doch kann eine Maschine mehr als nur ein Werkzeug sein? Wird die KI der Zukunft eine kreativere Rolle an der Seite des Wissenschaftlers spielen? Dies sind die Fragen, die sich auch die Forscher stellen. Welche Rolle die künstliche Intelligenz in Zukunft daher tatsächlich im Labor spielen wird, muss sich – auch durch ihre Arbeit – noch zeigen. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 23018; doi: 10.1073/pnas.1714936115)
(Universität Innsbruck, 22.01.2018 – NPO)