Materialforschung

Pilz verleiht Violinen „alten“ Klang

Nachgebaute Geigen aus verpilztem Holz kommen Stradivari und Guarneri nahe

Geigen aus pilzbehandeltem Holz: Ihr Klang könnte dem einer echten Stradivari oder Guarneri nahekommen. © Empa

Klangwunder dank Pilz: Wie können moderne Geigen so klingen wie eine alte Stradivari oder Guarneri? Die Antwort darauf könnten Schweizer Forscher jetzt gefunden haben. Denn wie sie entdeckten, verändert ein Holzpilz die Struktur des Holzes so, dass dieses einen besonderen Klang erhält. Einen Blindtest haben die modernen Pilzgeigen bereits bestanden, jetzt sollen physikalisch-akustische Messungen zeigen, ob die Pilzkur die neuen Violinen tatsächlich den alten Meisterstücken näher bringt.

Ob Stradivari, Amati oder Guarneri – die Violinen dieser Geigenbaumeister aus dem 17. Jahrhundert gelten bis heute als wahre Klangwunder. Doch über den Grund dafür rätseln Forscher schon lange. Einige vermuten, dass das Geheimnis in der Form der Schalllöcher oder in einer speziellen Behandlung des Holzes liegt. Andere gehen eher davon aus, dass das sehr dichte, langsam gewachsene Holz dieser Violinen ihnen den besonderen Klang beschwert.

Pilz verändert Holzstruktur

Doch kann man die einzigartige Klangfarbe einer Stradivari oder Guarneri auch mit einer modernen Geige erreichen? Um das herauszufinden, hat Francis Schwarze von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa nach einer Möglichkeit gesucht, modernes Holz so zu verändern, dass es dem antiken Baustoff gleicht.

Und er wurde fündig: bei einem holzzersetzenden Pilz. Der Erreger der Weißfäule zersetzt das Lignin der Zellwände im Holz und verändert so im Laufe der Zeit die Holzstruktur – wenn auch sehr langsam: Im Labor benötigten die feinen Fäden des Pilzes zwei bis drei Monate, um rund 0,5 bis ein Prozent der Holzmasse abzubauen. „Sobald die Holzstruktur den gewünschten Zustand erreicht hatte, wurden die Pilze durch ein keimtötendes Gas entfernt“, erklärt Schwarze.

Weißfäule an Buchenstämmen. © Warburg/ CC-by-sa 3.0

„Voller, warmer Klang“

Dann folgte der entscheidende Test: Die Forscher erstellten auf Basis von computertomografischen Daten mehrere exakte geometrische Kopien einer Guarneri-Violine aus dem Jahr 1724. Baumaterial für die Geigenkopien war das zuvor mit dem Pilz behandelte Testholz. Schwarze und seine Kollegen haben einige dieser „Mycowood“-Geigen inzwischen bereits von Profi-Musikern spielen lassen und sie in einem Blindtest vor Publikum gegen eine Stradivari aus dem Jahr 1711.

Das Ergebnis: Zuhörer und Musiker waren vom warmen, tragenden Klang der Pilzgeige angetan. „Die Mycowood-Geigen haben einen warmen, farbenreichen Klang, der in die Richtung der alten italienischen Instrumente geht“, sagt der Violinist Oleg Kaskiv, Professor an der International Menuhin Music Academy in Gstaad. Obwohl die Instrumente noch neu und daher nicht genügend eingespielt seien, gelänge es bereits jetzt, ihnen Klänge zu entlocken, die eine unbehandelte Geige nicht hervorbringe.

Tests im akustischen Speziallabor

Doch bei allem subjektiven Lob: Die Akustikforscher der Empa interessiert nun, wie sich der Klang dieser Geigen objektiv bewerten lässt. In ihrem neuen Projekt testen sie daher eine ganze Reihe Violinen, darunter das Original, eine unbehandelte Kopie und unterschiedliche Geigen aus pilzbehandeltem Klangholz mit modernen physikalisch-akustischen Methoden.

Bei einer Körperschallmessung im Speziallabor messen sie zunächst, wie sich Schallwellen im Holz der Geigen ausbreiten. Ein Elektromagnet regt dabei die Saiten der Instrumente an, damit nicht der individuelle Bogenstrich eines Musikers die Ergebnisse verfälscht. Ein „Scanning Laser Doppler Vibrometer“ zeichnet währenddessen die Frequenz und Amplitude der Holzschwingungen an rund 100 Stellen des Geigenkörpers auf. Das soll zeigen, ob sich die Wellen im Pilzholz anders ausbreiten als im Original. „Es wird sich herausstellen, ob ein kausaler Zusammenhang zwischen Holzstruktur, Schallmessung und Hörempfinden nachweisbar ist“, sagt Reto Pieren von der Empa.

(Empa – Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, 16.02.2018 – NPO)

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