Strom selbst bei extremer Kälte: Forscher haben einen Lithium-Ionen-Akku entwickelt, der sogar bei minus 70 Grad noch problemlos funktioniert. Im Gegensatz zu normalen Lithiumbatterien liefert er selbst bei diesen Minustemperaturen noch gut 70 Prozent Leistung, wie erste Tests ergaben. Möglich wird dies durch Elektroden und Elektrolyt aus rein organischen Verbindungen. Besonders gut könnten sich diese Akkus als Starthilfe und Zusatz-Stromquelle bei ultrakalten Temperaturen eignen.
Sie sind die mobilen Energiespender in fast aller modernen Technik: Lithium-Ionen-Akkus stecken in Handys, Kameras und Tablets, aber auch in Elektroautos oder Flugzeugen. Hunderte Millionen der leistungsstarken Batterien werden jedes Jahr produziert und transportiert. Allerdings haben die beliebten Akkus auch ihre Tücken: Sie können im Laufe der Zeit an Kapazität verlieren und wenn sie überhitzen, droht sogar die Explosion.
Kälte stört Akku-Funktion
Doch auch bei sehr kalten Temperaturen haben Lithium-Ionen-Akkus Probleme. Bei Temperaturen unter minus 20 Grad beginnt der Elektrolyt zu erstarren und die Leitfähigkeit sinkt. Die Kälte stört zudem die elektrochemischen Reaktionen an den meist aus Graphit und Übergangsmetallen bestehenden Elektroden. Als Folge sinkt die Leistung der Akkus drastisch ab.
Bei minus 20 Grad liegt die Kapazität der Batterien nur noch bei etwa 50 Prozent. „Bei minus 40 Grad behalten konventionelle Lithium-Ionen-Akkus nur noch zwölf Prozent ihrer Raumtemperatur-Kapazität“, erklären Yongyao Xia von der Universität Schanghai und seine Kollegen. Für den Einsatz im hohen Norden oder auch im Weltraum sind solche Akkus damit kaum einsetzbar – es sei denn man versieht sie mit beheizten Hüllen oder isoliert sie gegen die Kälte.
Acetat-Elektrolyt und organische Elektroden
Doch nun haben Xia und seine Kollegen eine Lithiumbatterie entwickelt, die selbst tiefe Minusgrade nicht mehr scheuen muss. Dafür nutzen sie als Elektrolyt Ethylacetat, eine normalerweise vor allem als Lösungsmittel eingesetzte organische Verbindung. „Reines Ethylacetat hat einen Gefrierpunkt von minus 83 Grad, das ist deutlich niedriger als bei den meisten üblicherweise für Lithium-Ionen-Akkus genutzten Elektrolyten“, berichten die Forscher.
Diesen Elektrolyt kombinierten die Wissenschaftler mit organischen Elektroden. Als Anode diente dabei Polyimid (PNTCDA) und als Kathode Polytriphenylamin (PTPAn). „Bei diesen organischen Elektroden findet die Ladungsspeicherung hauptsächlich an Oberflächengruppen statt oder in den großen Zwischenräumen der Feststoffe – das erleichtert den Ladungs- und Entladungsprozess“, erklären Xia und seine Kollegen.
70 Prozent Kapazität selbst bei minus 70 Grad
Prototypen dieser organischen Lithium-Ionen-Batterie haben die Forscher bereits in einer Kältekammer getestet. Das Ergebnis: Der Akku behält bei minus 40 Grad fast 100 Prozent seiner relativen Kapazität, wie die Forscher berichten. „Selbst bei noch viel niedrigeren Temperaturen von minus 70 Grad liegt die Kapazität dieses Akkus noch bei 70 Prozent“, so Xia und seine Kollegen. „Das ist verglichen mit den herkömmlichen Lithium-Ionen-Akkus eine ausgezeichnete Leistung.“
Neben ihrer Kälteresistenz haben die organischen Lithiumakkus noch weitere Vorteile: „Verglichen mit den gängigen Elektrodenmaterialien aus Übergangsmetallen sind die organischen Komponenten kostengünstig, umweltverträglich ehrzustellen und leicht verfügbar“, sagt Xia. Seiner Schätzung nach würden die organischen Elektroden nur rund ein Drittel so viel kosten wie die Elektroden in den konventionellen Lithium-Ionen-Akkus.
Geringere Energiedichte
Allerdings gibt es einen Haken: Bisher haben die organischen Akkus eine geringere Energiedichte als konventionelle Lithiumbatterien – sie liegt etwa auf dem Niveau von Bleibatterien. Ihre Leistung reicht daher noch nicht aus, um über längere Zeit hohe Anforderungen zu erfüllen. Die kältetoleranten Akkus wären aber gut geeignet, um beispielsweise beim Kaltstart von Geräten und Maschinen den nötigen Strom zu liefern, so die Forscher.
In extrem kalten Umgebungen könnten die organischen Akkus dadurch die Wartephase überbrücken, in der die normalen Batterien genügend aufgeheizt werden. „Die neuen Akkus eignen sich damit besonders gut für moderne Hochleistungs-Start-Stopp-Prozesse“, sagt Xia. „Sie bietet damit vielversprechendes Potenzial für Spezialanwendungen in sehr kalten Umgebungen.“ (Joule, 2018; doi: 10.1016/j.joule.2018.01.017)
(Cell Press, 01.03.2018 – NPO)