Von wegen öko: Organische Dünger gelten als umweltfreundlich – doch die aus Bioabfällen hergestellten Stoffe stellen offenbar ein bislang unbekanntes Problem dar. Denn sie dienen als Einfallstor für Mikroplastik in die Umwelt. So fanden Forscher in einzelnen Düngerproben große Mengen von Kunststoffteilchen. Das Plastik ist als Kontamination in Haushalts- und Industrieabfällen enthalten und kann bei der Düngerherstellung nicht vollständig entfernt werden. Welche Folgen der Kunststoff im Dünger beispielsweise für Bodenorganismen hat, ist noch unklar.
Plastik findet sich inzwischen fast überall: Winzige Kunststoffteilchen schwimmen in Seen, Flüssen und sogar in der Tiefsee. Sie belasten Fische und sind in Lebensmitteln wie Salz, Honig und Getränken enthalten. Auch in unseren Böden findet sich vermehrt dieses sogenannte Mikroplastik. Die weniger als fünf Millimeter kleinen Kunststoffpartikel entstehen beim Zerfall von Plastikmüll und werden zudem durch Kosmetika, Fleece-Kleidung und andere Quellen über unser Abwasser in die Umwelt gespült.
Plastik im Bioabfall
Nicolas Weithmann von der Universität Bayreuth und seine Kollegen haben nun einen weiteren Weg aufgedeckt, über den die Plastikteilchen in Ökosysteme gelangen: über organische Düngemittel. Diese Dünger werden aus Bioabfall gewonnen, der zum Beispiel im Haushalt, in der Industrie oder der Landwirtschaft anfällt, und gelten daher als besonders umweltfreundlich.
Das Problem: Essensreste, Tiermist und andere Abfälle können mit Plastik kontaminiert sein – und diese Rückstände bei der Verarbeitung vollständig zu entfernen, ist schwierig. Selbst Deutschland, das Land mit einer der weltweit strengsten Regelungen bezüglich der Düngerqualität, erlaubt einen Anteil von bis zu 0,1 Gewichtsprozent Kunststoff im Endprodukt. Wie viel Mikroplastik aber ist in den vermeintlich ökologisch wertvollen Düngemitteln wirklich enthalten?
Kunststoff überall
Um das zu überprüfen, haben sich die Wissenschaftler zwei Anlagen zur Herstellung von organischem Dünger genauer angesehen: eine Anlage, die den Abfall unter aeroben Bedingungen kompostiert, und eine Anlage, die unter Ausschluss von Sauerstoff arbeitet, wobei Methan entsteht. In beiden Anlagen werden unterschiedliche Arten von Düngemitteln hergestellt, die die Forscher auf ihren Plastikgehalt hin analysierten. Zusätzlich untersuchten sie einen kommerziell erhältlichen Dünger, der in einer dritten Anlage hergestellt wurde.
Das Ergebnis: In allen Proben waren zwei bis fünf Millimeter kleine Kunststoffteilchen enthalten, obwohl bei der Produktion standardmäßig Prozesse zur Plastikentfernung stattfinden. Wie viele dieser Rückstände im Dünger schwammen, schwankte jedoch stark – abhängig von der Düngerart und der Verarbeitungsmethode.
Von Polyethylen bis PVC
Die höchste Belastung stellte das Team bei dem Dünger aus der dritten Anlage fest: 895 Mikroplastikpartikel pro Kilogramm Trockengewicht. Dieser Dünger wurde direkt aus industriellen Bioabfällen hergestellt. Im Vergleich dazu enthielt ein Düngerprodukt, das in der zweiten Anlage nach einem ähnlichen Verfahren, aber hauptsächlich aus Haushaltsabfällen produziert wurde, bis zu 146 Teilchen pro Kilogramm Trockengewicht.
Bei dem Plastik handelte es sich um Rückstände aus den unterschiedlichsten Quellen, wie die Wissenschaftler berichten. Insgesamt identifizierten sie in den Proben elf Polymerarten – darunter Polyethylen (PE), Polypropylen (PP) und Polyvinylchlorid (PVC).
Unterschätztes Einfallstor
Diese Ergebnisse legen nahe, dass Ökodünger als Einfallstor für Mikroplastik in die Umwelt bislang unterschätzt wurde – und damit womöglich weniger umweltfreundlich ist als gedacht. Durch den Dünger können sich die Kunststoffteilchen im Erdreich verteilen und mit den dort heimischen Lebewesen in Kontakt kommen. Welche Folgen das hat, ist Weithmann und seinen Kollegen zufolge noch völlig unklar.
Es sei zum Beispiel aber nicht auszuschließen, dass sich das Mikroplastik über die Nahrungskette im Körper von Bodenbewohnern anreichert und bei ihnen zu gesundheitlichen Problemen führt – so wie es bereits aus marinen Ökosystemen bekannt ist. „Weitere Studien müssen die Bedeutung und die möglichen Folgen der Mikroplastikkontamination durch organische Dünger erst genauer untersuchen, bevor eine Risikoeinschätzung vorgenommen werden kann“, schließt das Team. (Science Advances, 2018; doi: 10.1126/sciadv.aap8060)
(AAAS/ Science Advances, 05.04.2018 – DAL)