Zirkadianes Sehen: Forscher haben entdeckt, dass wir Menschen morgens und abends am besten sehen können. Hirnscans zeigen, dass das visuelle System des Gehirns zur Dämmerung seine Ruheaktivität runterfährt. So gehen schwache Sehreize nicht im ständigen Hintergrundrauschen des Gehirns verloren, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten. Diese Anpassung könnte unseren Vorfahren dabei geholfen haben, nachtaktiven Raubtieren zu entkommen.
Viele unserer Körperfunktionen folgen dem Wechsel von Tag und Nacht. Dabei steuert unsere innere Uhr nicht nur unsere Wach- und Schlafenszeiten, auch das Immunsystem, der Hormonhaushalt, selbst unsere Angriffslust folgen dem Tag-Nacht-Rhythmus. Als innere Taktgeber dienen dabei Uhrengene in den Zellen, die mit einem zentralen Taktgeber im Gehirn synchronisiert sind.
Unklar war aber bisher, ob auch unsere visuelle Wahrnehmung im Tagesrhythmus schwankt. „Das Vorwegnehmen von Veränderungen im Tageslicht ist für das Überleben entscheidend“, erklären Lorenzo Cordani von der Goethe-Universität Frankfurt am Main und seine Kollegen. Denn wenn sich beispielsweise unsere Sehkraft an das schummrige Licht der Dämmerung anpasst, können wir Raubtieren und anderen Gefahren leichter entgehen.
Sechsmal am Tag zum Sehtest
Ob unser Sehvermögen nicht nur den tatsächlichen Lichtbedingungen, sondern auch dem Takt der inneren Uhr folgt, haben die Forscher nun untersucht. Dafür schoben sie 14 freiwillige Probanden in den Kernspintomografen, zu sechs verschiedenen Tageszeiten zwischen 8 Uhr morgens und 23 Uhr abends. Dabei scannten sie die Aktivität der visuellen Hirnareale, erst im absoluten Ruhezustand, dann während eines Sehtests.