Medizin

Neues Schweinevirus: Gefahr auch für Menschen?

Andockstelle erlaubt Erreger die Infektion menschlicher Zellen

Bei Schweinen haben Forscher ein neues Virus entdeckt, das auch Menschen infizieren könnte. © narvikk/ iStock.com

Ein 2012 entdecktes Schweinevirus könnte auch Menschen befallen, wie Forscher herausgefunden haben. In Zellkulturen gelang es dem Erreger bereits, menschliche Zellen zu infizieren. Bei Schweinen löst dieser Verwandte von SARS und MERS eine potenziell tödliche Durchfallerkrankung aus. Noch sind zwar keine Fälle beim Menschen bekannt, doch ein Überspringen der Infektion auf den Menschen ist nicht mehr auszuschließen, so die Forscher.

Immer wieder gelingt es krankmachenden Viren, Artschranken zu überwinden und vom Tier auf den Menschen überzuspringen – mit teilweise fatalen Folgen. So ging die letzte Ebola-Epidemie in Afrika von infizierten Fledermäusen aus, viele gängige Influenza-Erreger stammen ursprünglich von Vögeln oder Schweinen und auch das ursprünglich bei Kamelen verbreitete MERS-Virus kann inzwischen Menschen krankmachen.

Potenziell tödlicher Durchfall

Jetzt könnten Scott Kenney von der Ohio State University und seine Kollegen eine neue Gefahr ausgemacht haben: das Porcine Deltacoronavirus (PDCoV). Dieses Virus wurde erst 2012 bei Schweinen in China erstmals festgestellt, 2014 erkrankten dann auch Schweine in den USA an diesem Virus. Der Erreger verursacht vor allem bei Ferkeln schwere Durchfälle und Erbrechen und kann zum Tode führen.

Ob dieses Virus allerdings auch andere Tierarten oder den Menschen infizieren kann, war bisher unbekannt. „Bevor dieses Virus bei Schweinen nachgewiesen wurde, war es nur bei einigen Vogelarten bekannt“, erklärt Kenney Kollegin Linda Saif. Doch das Deltacoronavirus ist ein enger Verwandter der Viren, die SARS und MERS auslösen – und von diesen ist bekannt, dass sie Artschranken relativ leicht überwunden haben.

Um das Risiko zu klären, haben Kenney und sein Team das Infektionsverhalten des PDCo-Virus in Kulturen menschlicher Zellen, sowie mit Katzen und Hühnerzellen untersucht.

Infektion menschlicher Zellen (Huh7) mit PDCoV (grün). Genmanipuierte Zellen ohne den Aminopeptidase-N Rezeptor (unten) sind dagegen geschützt. © Kenney et al./ PNAS

Virus infiziert auch menschliche Zellen

Das Ergebnis: Die Schweineviren konnten die Zellen aller getesteten Arten relativ problemlos infizieren. Sie nutzen dafür eine bestimmte Andockstelle auf der Zelloberfläche, den Rezeptor Aminopeptidase-N, wie die Forscher berichten. „Diese Rezeptoren sind auf Zellen der Atemwege und des Verdauungstrakts verschiedener Tierarten vorhanden – auch beim Menschen“, sagt Kenney.

„Damit wissen wir nun, dass dieses neue Virus auch in die Zellen des Menschen eindringen kann“, so der Forscher. Das PDCo-Virus habe definitiv das Potenzial für einen Erreger, der zahlreiche verschiedene Wirte befallen kann. „Angesichts der weltweiten Verbreitung dieses Schweinevirus ist dies aus epidemiologischer Sicht alarmierend“, konstatieren die Wissenschaftler. „Schweine sind die zweithäufigsten Nutztiere und bereits als Überträger für zoonotische Viren bekannt.“

Fahndung nach „stillen“ Infektionen

Noch allerdings ist unklar, wie erfolgreich das Schweinevirus bei einer Infektion des Menschen wäre. „Jetzt stellt sich nur noch die Frage, ob sich dieses Virus in den menschlichen Zellen auch vermehren kann und ob es Menschen und andere Tiere krankmachen kann“, sagt Kenney. Bisher sind nach Angaben der Wissenschaftler noch keine Fälle einer Infektion beim Menschen mit dem Porcinen Deltacoronavirus bekannt.

Um nach möglichen stillen Infektionen mit diesem Virus zu suchen, wollen die Forscher als nächstes Blutproben von Menschen untersuchen, die mit infizierten Schweinen in Kontakt waren. Zeigen sich in ihrem Blut Antikörper gegen das PDCo-Virus, wäre dies ein Hinweis auf eine Infektion. „Wir sind generell sehr beunruhigt über das Auftreten neuer Coronaviren, denn sie können bei Tieren großen Schaden anrichten und besitzen das Potenzial, auf den Menschen überzuspringen“, sagt Saif. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2018; doi: 10.1073/pnas.1802879115)

(Ohio State University, 15.05.2018 – NPO)

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