Sonnensystem

Ist Oumuamua doch ein Komet?

Abweichungen in der Flugbahn könnten auf verborgenen Schweif hindeuten

Das interstellare Objekt 'Oumuamua – ist er ein Asteroid oder ein Komet? © ESO /M. Kornmesser

Verräterische Drift: Der zigarrenförmige Brocken ‚Oumuamua galt bisher als interstellarer Asteroid – als steiniger „Besucher“ aus einem fremden Sternensystem. Doch neue Daten sprechen dafür, dass ‚Oumuamua doch ein Komet sein könnte. Denn sein Flug durch unser Sonnensystem zeigt Abweichungen von einer rein durch die Schwerkraft der Sonne und Planeten bedingten Bahn, wie Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.

Am 19.Oktober 2017 entdeckten Astronomen ein rätselhaftes Objekt im All: Ein zigarrenförmiger, mehrere hundert Meter langer Brocken raste mit extrem hoher Geschwindigkeit auf einer parabelförmigen Kurve durch das Sonnensystem. Nähere Untersuchungen legten nahe, dass der ‚Oumuamua getaufte Brocken aus einem fremden Sternsystem, vielleicht sogar einem Doppelsternsystem stammen könnte.

Komet oder Asteroid?

Für Rätsel aber sorgt bis heute die Beschaffenheit von ‚Oumuamua: In einigen Merkmalen ähnelte er einem Kometenkern, in anderen dagegen eher einem Asteroiden. So schien der Brocken nicht von Eis, sondern von einer festen Kruste Kruste bedeckt zu sein und es gab auch keine Hinweise auf einen Schweif oder andere Ausgasungen von Staub und Wasserdampf, wie sie für Kometen in Sonnennähe typisch sind.

„Obwohl die Oberflächenreflektivität der von Kometen ähnelte, sprachen alle anderen Beobachtungsdaten dafür, dass ‚Oumuamua inaktiv und eher ein Asteroid war“, berichten Marco Micheli vom ESA Koordinationszentrum für erdnahe Objekte und seine Kollegen. Die meisten Forscher kamen daher zu dem Schluss, dass es sich bei dem interstellaren „Besucher“ um einen, wenn auch ungewöhnlichen Asteroiden handeln musste.

Merkwürdige Abweichungen

Doch das könnte ein Irrtum sein, wie nun Beobachtungsdaten von Micheli und seinen Kollegen nahelegen. Sie hatten die Flugbahn des interstellaren Brockens mithilfe mehrerer erdbasierter Teleskope und mit dem Hubble-Weltraumteleskop bis in den Januar 2018 hinein verfolgt. Insgesamt lieferte dies den Forschern mehr als 200 Positionsbestimmungen, die sie nun auf ihren physikalischen Hintergrund hin analysiert haben.

Flugbahn von 'Oumuamua durch das innere Sonnensystem. © Nagualdesign, Tomruen/ CC-by-sa 4.0

Das überraschende Ergebnis: ‚Oumuamuas Flugbahn passt nicht zu der eines normalen Asteroiden. Denn dieser müsste einer Bahn folgen, die nur von der Schwerkraft der Sonne und der anderen Himmelskörper im Sonnensystem beeinflusst wird. „Der beobachtete Flugbogen lässt sich aber nicht vollständig in eine solche Bahn einfügen“, berichten die Wissenschaftler. Stattdessen weicht ‚Oumuamua an 35 Datenpunkten um mehrere Standardabweichungen von dieser Bahn ab.

Von der Sonne weggedrückt

Ebenfalls auffällig: „Die bis zu 22 Bogensekunden großen Abweichungen der Flugbahn sind nicht zufällig verteilt, sondern zeigen einen klaren Trend“, so Micheli und seine Kollegen. ‚Oumuamua drifte demnach immer ein wenig weiter von der Sonne weg als erwartet. Die Forscher schließen daraus, dass eine weitere, nicht-gravitationsbedingte Kraft die Bahn des interstellaren Brockens beeinflusst haben muss.

Aber welche? Rein theoretisch kämen mehrere Ursachen in Frage, wie die Wissenschaftler erklären: ‚Oumuamua könnte in Wirklichkeit doch ein Komet sein, er könnte aus zwei Teilen bestehen, stark magnetisiert sein, eine helle und eine dunkle Seite besitzen oder durch den Strahlungsdruck der Sonne von ihr weggedrückt worden sein. Welche dieser Hypothesen am besten zu allen bisher bekannten Daten passt, testeten die Forsche unter anderem mithilfe astrophysikalischer Modelle.

Ausgasung, aber kein Schweif?

Das Ergebnis: „Das plausibelste Modell für die nicht-gravitationsbedingte Beschleunigung von ‚Oumuamua liefert ein Ausgasen“, berichten Micheli und seine Kollegen. „Demnach verhält sich ‚Oumuamua wie ein Miniaturkomet.“ Konkret bedeutet dies, dass die Oberfläche des Brockens Staub und Gase abgibt, wie es für Kometen in Sonnennähe typisch ist. Das aber würde bedeuten, dass der interstellare Besucher kein Asteroid ist wie bisher angenommen, sondern doch ein Komet.

Allerdings: Astronomen haben bei ‚Oumuamua keinen Schweif nachweisen können. Weder in den spektroskopischen noch in den optischen Aufnahmen waren Spuren von austretendem Staub oder Gasen zu sehen. „Das Modell prognostiziert jedoch eine Staubproduktion von 400 Gramm pro Sekunde – das hätte in den Bildern sichtbar sein müssen“, sagen die Forscher. Es sei denn, die Staubkörnchen waren größer als einige hundert Mikrometer – dann könnten sie optisch unsichtbar bleiben, wie sie erklären.

Oumuamua könnte doch Wasserdampf und Staub ausgasen© ESA/Hubble, NASA, ESO, M. Kornmesser

Rätsel bleibt bestehen

Klar scheint damit: Die wahre Natur des interstellaren „Besuchers“ bleibt weiterhin rätselhaft und umstritten. „Unsere Arbeit zeigt, dass ‚Oumuamua zwar auf den ersten Blick vertraut aussehen mag, doch es gibt Unterschiede, die mit seiner Geburt in einem Planetensystem fern des unsrigen zusammenhängen“, so Micheli und seine Kollegen.

Um die Natur, die Herkunft und die physikalischen Merkmale von ‚Oumuamua und ähnlichen interstellaren Objekten zu enthüllen, reichen Teleskopdaten offenbar nicht aus. „Hierfür wären vor Ort Beobachtungen notwendig“ so die Forscher. (Nature, 2018; doi: 10.1038/s41586-018-0254-4)

(Nature, 28.06.2018 – NPO)

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