Jagd auf Meeressäuger: Schon die Römer könnten industriellen Walfang betrieben haben. Darauf deuten 2.000 Jahre alte Knochen zweier Walarten hin, die Forscher in den Ruinen römischer Fischfabriken gefunden haben. Sie belegen, dass der Grauwal und der Atlantische Nordkaper einst auch im Mittelmeer verbreitet waren – dann aber von dort verschwanden.
Zunächst war der Mensch hinter ihrem Tran her, aus dem sich Seifen, Lampenöl und Margarine herstellen ließen, später jagte er die Wale auch für ihr Fleisch: Jahrhunderte des Walfangs haben viele Arten dieser Meeressäuger an den Rand des Aussterbens gebracht. Im Atlantik fielen etwa der Nordkaper und der Grauwal den Harpunen zum Opfer. So existieren dort heute nur noch drastisch reduzierte Restbestände der einstigen Nordkaper-Populationen und der Grauwal ist sogar ganz verschwunden. Er ist inzwischen nur noch im Pazifik heimisch.
Die Rolle der Basken
Wesentlich verantwortlich für den Niedergang dieser beiden Spezies sollen die Basken gewesen sein. Denn angeblich waren sie es, die vor 1.000 Jahren die küstennah lebenden Wale als gute Jagdbeute erkannten und im Nordatlantik mit dem industriellen Walfang begannen. Doch waren sie wirklich die ersten, die die Meeressäuger im großen Stil jagten? Archäologen um Ana Rodrigues von der Universität Montpellier in Frankreich haben nun Hinweise darauf gefunden, dass dem möglicherweise nicht so ist.
Die Forscher hatten Knochenfunde aus Ruinen alter Fischfabriken rund um die Straße von Gibraltar untersucht. Diese Region war einst das Zentrum der Fischindustrie der Römer. Dort machten sie Thunfische und andere Produkte durch Salzen haltbar, die später in alle Teile des römischen Imperiums verschifft wurden. Einige der entdeckten Knochen sahen jedoch nicht nach den sterblichen Überresten von Fischen aus. Könnte es sich stattdessen um Walknochen handeln?
Überraschender Fund
DNA-Analysen bestätigten diesen Verdacht: Die 2.000 Jahre alten Knochen stammten von großen Meeressäugern. Insgesamt identifizierte das Team drei Atlantische Nordkaper und drei Grauwale – eine echte Überraschung. Denn bisher war gar nicht bekannt, dass diese beiden Arten einst auch im Mittelmeer verbreitet waren. „Unsere Studie zeigt, dass die Wale einmal Teil dieses marinen Ökosystems waren. Vielleicht kamen sie in das geschützte Becken, um zu kalben“, sagt Mitautorin Camilla Speller von der University of York.
Damit stellt sich nun eine entscheidende Frage: Wenn die Römer bereits hunderte Jahre vor den Basken Wale verarbeiteten – welche Rolle spielten sie dann für deren Verschwinden? Den Wissenschaftlern zufolge gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder nutzten die Menschen damals lediglich die günstige Gelegenheit, wenn ein Wal gestrandet war. Oder aber sie machten schon gezielt Jagd auf die Tiere.
Mit Ruderbooten und Handharpunen
Abwegig ist die Vorstellung, dass die Römer eine Art Walindustrie hatten, jedenfalls nicht. „Nordkaper und Grauwale wären mit ihren Kälbern dicht ans Ufer gekommen und somit verlockende Ziele für lokale Fischer gewesen“, ist Rodrigues überzeugt. Beide Arten könnten die Römer demnach mithilfe einfacher Ausrüstung wie Ruderbooten und Handharpunen erlegt haben – Methoden, die später auch die baskischen Walfänger nutzten.
Ebenfalls Jagd auf die beiden Spezies könnten im Mittelmeer aber auch deren natürliche Feinde wie der Killerwal gemacht haben: „Es gibt eine Quelle von Plinius dem Älteren aus dem ersten Jahrhundert, die die Attacke eines Killerwals in der Bucht von Cádiz in Spanien beschreibt. Aus heutiger Sicht scheint dieses Szenario unwahrscheinlich. Aber Killerwale passen perfekt in ein Ökosystem, in dem der Atlantische Nordkaper und der Grauwal zugegen sind“, sagt Mitautorin Anne Charpentier.
„Es ist unvorstellbar, dass wir in einer so gut erforschten Region wie dem Mittelmeer zwei große Walarten verloren und dann vergessen haben. Was könnte uns wohl noch alles entgangen sein?“, schließt Rodrigues. (Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 2018; doi: 10.1098/rspb.2018.0961)
(CNRS News Alert/ University of York, 11.07.2018 – DAL)