Eine massive Invasion der Pazifischen Auster im Nationalpark Wattenmeer gefährdet einheimische Arten wie die Miesmuschel und verringert das Nahrungsangebot für die Vögel. Die Ausbreitung der ursprünglich von der Pazifikküste stammenden Muschelart ist wahrscheinlich nicht mehr umkehrbar. Dies sind die Ergebnisse einer neuen in Bremen veröffentlichten WWF-Studie.
{1l}
Der teure Leckerbissen war in den 60er Jahren zunächst an der niederländischen Küste, in den 80er Jahren dann auch vor Sylt zu Zuchtzwecken eingebürgert worden. Die Pazifische Auster (Crassostrea gigas) entwischte jedoch aus den Aquakulturen und breitet sich seitdem durch ihre treibenden Larven unaufhaltbar aus. Die Bestände im niedersächsischen Wattenmeer wachsen laut der WWF-Studie sehr schnell.
Die Pazifischen Austern gelangten mit der Strömung aus den niederländischen Zuchten in der Oosterschelde hierher. Aber auch in den Wattgebieten bei Sylt finden sich bereits viele der fremden Tiere. Diese Muscheln stammen ursprünglich wahrscheinlich aus einer örtlichen Aquakultur bei Sylt.
Zuchtrisiken unkalkulierbar
„Das Beispiel der Pazifischen Auster belegt, dass die Risiken der Zucht fremder Arten im Wattenmeer unkalkulierbar sind“, so WWF-Expertin Beatrice Claus. Besonders gefährdet sind nun die Miesmuschelbänke. Die Pazifischen Austern siedeln sich bevorzugt dort an. Durch ihr schnelleres Wachstum verdrängen sie zum Teil die heimischen Muscheln. Dadurch verändert sich auch der Stoffhaushalt des Wattenmeers.
Pazifische Austern haben laut WWF bislang keine natürlichen Fressfeinde. Auch durch Absammeln oder Fischerei wäre ihnen der wegen der hohen Populationsdichte nicht mehr beizukommen. Teile des Wattenmeeres werden voraussichtlich auf Dauer durch die Austern geprägt werden, so der WWF. Sie bilden riff-artige Strukturen aus, die auch nach dem Absterben der Austern erhalten bleiben.
„Es ist zu befürchten, dass Touristen bei Wattwanderungen in Zukunft an manchen Stellen festes Schuhwerk anziehen müssen, um sich nicht an den scharfen Kanten der Austern zu schneiden“, so Beatrice Claus.
Ansiedlung ohne Rücksicht auf ökologische Folgen
Bis vor etwa 100 Jahren gab es schon einmal eine Auster im Wattenmeer: Die einheimische Europäische Auster. Sie wuchs nicht auf den Wattflächen, sondern unter Wasser in großen Prielen und wurde hier durch intensive Befischung ausgerottet. An Europas Küsten wurden in der Folgezeit viele Versuche gemacht, Pazifische Austern anzusiedeln – ohne die ökologischen Folgen abzusehen. So wurde nach Angaben des WWF fälschlich vermutet, die Art werde sich wegen der niedrigen Temperaturen im Wattenmeer nicht von selbst ausbreiten.
Die Pazifische Auster ist nicht das einzige Beispiel dramatischer ökologischer Folgen unbedachter Aussetzungen. Das wohl bekannteste Beispiel aus der Vergangenheit ist das Kaninchen in Australien. Ein anderes Beispiel aus Deutschland ist der aus Amerika eingeschleppte Waschbär. Weltweit sind zahlreiche Tier- und Pflanzenarten durch invasive Arten gefährdet, insbesondere auf Inseln.
(WWF, 22.12.2005 – DLO)