Hinter einem großen Baum steckt meist ein kleiner Pilz – genauer gesagt: an seinen Wurzeln. Etwa 80 Prozent aller Landpflanzen nutzen bestimmte Bodenpilze als eine Art "erweiterte Wurzel". Selbst an ungünstigen Standorten können sie so ihren Nährstoff- und Wasserbedarf decken. Im Gegenzug "bezahlen" sie den Pilz mit energiereichen Kohlenhydraten – sprich: mit Zucker. Unbekannt war bislang, wie diese Übergabe funktioniert. Biologen konnten nun erstmals einen der "Geldboten" identifizieren. Er transportiert Kohlenhydrate aus einer Blaualge, die Photosynthese treibt, in den Pilz. Die Forscher stellen den Mechanismus in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Nature" vor.
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Pilze kennen kein Chlorophyll – das ist der grüne Blattfarbstoff, der für die Photosynthese so wichtig ist. Dennoch wäre die Welt ohne sie wohl nicht so grün: Bestimmte Pilze tragen nämlich ganz wesentlich dazu bei, dass Pflanzen überhaupt gedeihen können. Ihre fädigen Ausläufer dringen in die Wurzelzellen ein und verwachsen untrennbar mit ihnen. Das ausgedehnte und extrem fein verzweigte Pilzgeflecht dient den Pflanzen so als eine Art "erweiterte Wurzel". Man spricht daher auch von Mykorrhiza-Pilzen: "mykes" stammt aus dem Altgriechischen und heißt Pilz, "rhiza" bedeutet Wurzel.
"Diese Symbiose ist für das Leben auf der Erde extrem wichtig", erklärt Daniel Wipf vom Institut für Zelluläre und Molekulare Botanik der Universität Bonn, der zusammen mit Kollegen aus Darmstadt an der neuen Studie beteiligt war. "Sie spielt bei der Ernährung von etwa 80 Prozent aller Landpflanzen eine ausschlaggebende Rolle." Die Wurzelpilze profitieren ebenfalls von der Zusammenarbeit: Sie sind selbst nicht zur Photosynthese befähigt, können also nicht mit Hilfe von Sonnenlicht aus Kohlendioxid und Wasser Zucker herstellen. Das übernehmen die Pflanzen für ihre Symbionten.
Zuckerübergabe entschlüsselt
Wie die Übergabe des Zuckers genau funktioniert, war bislang unbekannt. "Man kannte einfach kein Transportmolekül, mit dem der Pilz Kohlenhydrate aus der Wurzelzelle aufnehmen kann", sagt Wipfs Kollege Michael Fitz. Das Forscherteam aus Darmstadt und Bonn wurde nun bei einer äußerst ungewöhnlichen Symbiose fündig. Schon vor knapp 100 Jahren hatten deutsche Wissenschaftler im Spessart eine Art "Mini-Mykorrhiza" isoliert. Der Pilz ernährt hier keinen Strauch oder Baum, sondern umwächst eine mikroskopisch kleine Blaualge, die ihrerseits Photosynthese treibt. Auch hier ist die "Währung" der Symbiose Zucker.
Die Wissenschaftler nutzten für ihre Suche Hefezellen, die aufgrund einer Mutation keinen Zucker aus ihrer Umgebung aufnehmen können. In diese Zellen schleusten sie Gene aus Geosiphon pyriformis ein – so der Name des Mini-Mykorrhiza-Pilzes. Manche Hefezellen konnten nach dieser Behandlung plötzlich Zucker resorbieren. Das Geosiphon-Gen, das sie erhalten hatten, enthielt augenscheinlich den Bauplan für einen Kohlenhydrat-Transporter. "Wir konnten die entsprechende Erbanlage inzwischen isolieren und ihre Sequenz bestimmen", erklärt Wipf.
"Erstaunlicherweise hat man in den letzten Jahren in anderen Mykorrhiza-Pilzen Gene mit ganz ähnlichen Sequenzen gefunden. Bislang wusste man jedoch nicht, wofür diese Erbanlagen zuständig sind. Dieses Rätsel scheint nun geklärt."
(idw – Universität Bonn, 14.12.2006 – DLO)