Parodontose ist eine Volkskrankheit, jeder fünfte leidet darunter. Jetzt arbeiten Forscher an einer neuen Therapie, bei der Stammzellen das durch die chronische Entzündung zerstörte Gewebe ersetzen sollen. Die Isolierung und Vermehrung der körpereigenen Parodont-Stamzellen ist bereits gelungen.
{1l}
Parodontitis ist eine Infektion in der Mundhöhle, die zu zu Entzündungen und letzlich zu einer Zerstörung des Zahnhalteapparates führt. Rund 20 Prozent der über 35-jährigen Deutschen leiden nach aktuellen Erkenntnissen daran. Die schwere Parodontitis, auch chronische marginale Parodontitis genannt, ist die Hauptursache für Zahnverlust nach dem 35. Lebensjahr. Die Kosten für die Behandlung werden in Deutschland auf jährlich rund 400 Millionen Euro geschätzt.
An der Universität Witten/Herdecke (UWH) werden jetzt die Grundlagen eines therapeutischen Verfahrens mit Stammzellen erforscht, von dem sich die beteiligten Wissenschaftler bessere Ergebnisse und geringere Kosten bei der Behandlung der Parodontitis versprechen. Bei der neuen Methode sollen körpereigene Stammzellen eines Patienten dazu verwendet werden, dessen Zahnbett-Erkrankung zu bekämpfen. Die Forscher haben bereits gezeigt, dass sich geeignete Stammzellen aus dem Zahnhaltegewebe von Parodontitis-Patienten isolieren und vermehren lassen. Dieser weltweit erste Nachweis seiner Art ist die Basis für die angestrebte Therapie.
Multipotente Zellen isoliert
"Es ist uns gelungen, genau die Zellen zu isolieren, aus denen sich auch der Zahnhalteapparat ursprünglich entwickelt", erläutert Darius Widera, Diplom-Biochemiker am Institut für Neurobiochemie der UWH. Die Stammzellen wurden aus entzündlich verändertem Zahnhaltegewebe gewonnen. Laborversuche haben bewiesen, dass diese Zellen multipotent sind und die Fähigkeit haben, sich sowohl in neuronale Zellen zu differenzieren als auch in Knochen- und Gewebe-Zellen des Zahnhalteapparates, des so genannten Parodonts.
"Die Verwendung dieser Zellen hat zudem den Vorteil, dass sie im Gegensatz zum häufig umstrittenen Gebrauch von embryonalen Stammzellen ethisch absolut unbedenklich ist", ergänzt Prof. Dr. Christian Kaltschmidt, der Leiter des Instituts für Neurobiochemie an der Fakultät für Biowissenschaften. "Nachdem wir nun wissen, dass sich die von uns isolierten Stammzellen zu spezialisierten Zellen des Zahnhalteapparates entwickeln können, sind wir einer möglichen klinischen Anwendung einen großen Schritt näher gekommen", gibt sich der Parodontologe Wolf-Dieter Grimm von der UWH-Zahnklinik optimistisch.
Stammzellen sollen Gewebe nachwachsen lassen
Bisher können regenerative parodontal-chirurgische Eingriffe, die mit Erfolg auch in der Wittener Zahnklinik durchgeführt werden, nur Teile des zerstörten Zahnbettes wieder herstellen. Für schwere Fälle reichen diese Behandlungen nicht aus. Die regenerative Therapie mit körpereigenen Stammzellen soll verloren gegangenes Parodont neu wachsen lassen. Dazu würden zuvor entnommene und um ein vielfaches vermehrte Stammzellen in den betroffenen Bereich eingebracht werden.
Eine Voraussetzung für den Erfolg ist, dass sich diese Zellart, wie im Laborversuch geschehen, auch im entzündlich veränderten Zahnhalteapparat des Patienten zu Parodontalzellen weiterentwickeln lässt.
(Private Universität Witten/Herdecke, 09.03.2007 – NPO)