Auf den ersten Blick scheint es klar: Lockige Haare sind zerzauster und bilden mehr Knoten als glattes Haar. Doch dem ist nicht so, wie ein französischer Forscher nun festgestellt hat. Im Experiment fand er fast doppelt so viele Knoten im glatten Haar. Warum das so ist, erklärte er in einem mathematisch-geometrischen Modell.
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Dunkel oder blond, lang oder kurz, lockig oder glatt – bei uns Menschen gleicht kaum ein Haarschopf dem anderen. Gemeinsam ist uns allen, dass rund 100.000 bis 150.000 Haare auf unserer Kopfhaut sprießen. Doch ansonsten herrscht kreatives Chaos. Doch lassen sich zumindest Teile davon, die Lockigkeit und der Verknotungsgrad, auch in mathematisch-geometrische Gesetzmäßigkeiten bringen.
Was es mit den Locken im mathematischen Sinne auf sich hat, wollte der Biophysiker Jean-Baptiste Masson von der Ecole Polytechnique in Paris herausfinden. Dafür konsultierte er zunächst Friseure und bat sie, die Knoten in den Haaren ihrer Kunden zu zählen. Als Knoten gelten dabei Verflechtungen, an denen ein Kamm oder eine Bürste hängen bleibt. Anschließend entwickelte er ein geometrisches Modell, mit der er die Ergebnisse des Zählexperiments mathematisch beschrieb.
Das Ergebnis überraschte: Im glatten Haar fanden sich fast doppelt so viele Knoten wie im lockigen. Eigentlich ein Widerspruch, erscheint uns das Lockengewusel schon so sehr durcheinander. Doch nach Ansicht des Forschers gibt es eine einfache Erklärung: Zwar kommen sich bei glattem Haar die einzelnen Haare seltener ins Gehege, wenn sie aber einander kreuzen, tun sie dies in einem flacheren Winkel.
Winkel entscheidend
Dieser Winkel jedoch, das hat sein Modell ergeben, ist ausschlaggebend dafür, ob Knoten entstehen oder nicht. Die leicht geschuppte Oberflächenstruktur der Haare sorgt dafür, dass sie sich relativ problemlos wieder voneinander lösen, wenn sie in einem steilen Winkel aufeinander treffen. Liegen sie aber nahezu parallel, wie bei glattem Haar die Regel, verhaken sich die Schuppen leichter und es entstehen Knoten.
Der Sinn dieser haarigen Forschungsarbeit besteht für Masson darin, dass auch Haare als eines der in der Natur vorhandenen Netze aus fädigem Material betrachtet werden können. Die hier gewonnen Erkenntnisse könnte daher auch auf Polymernetze oder andere Filamente übertragen werden. Aber auch eine ganz praktische Anwendung gäbe es: Klettverschlüsse könnte optimiert werden, indem die Schlaufenseite mit winzigen Schüppchen versehen wird oder die Haken so versteift werden, dass ihr Winkel gegenüber der Haftseite stabiler bleibt.
(American Journal of Physics, 14.09.2007 – NPO)