Seit längerem rätseln Astronomen über eine ungewöhnlich Mikrowellen-arme, kalte Stelle im Universum. Jetzt hat ein spanisch-britisches Forscherteam eine mögliche Erklärung dafür in der Online-Ausgabe von „Science“ veröffentlicht: Demnach könnte der Fleck im Kosmos durch eine Störung direkt nach dem Urknall entstanden und der erste Beweis für die Existenz einer so genannten „kosmischen Textur“ sein.
Kurz nach dem Urknall begann sich das Universum abzukühlen und dehnte sich aus. Dabei machte es einige Phasenwechsel durch – exotische Versionen einer normalen Änderung des Aggregatzustands beispielsweise von gasförmig zu flüssig zu fest – wie Wasserdampf im Eisfach. Sowohl im frühen Universum als auch im Eisfach entstehen beim Phasenwechsel Unregelmäßigkeiten, die im Eiswürfel als wolkige Einschlüsse sichtbar werden. Mitte der 1970er Jahre kamen Physiker darauf, dass solche Unregelmäßigkeiten oder „Defekte“ eigentlich auch entstanden sein müssten, als einzelne Teilchen sich aus dem heißen Plasma der kosmischen „Ursuppe“ lösten.
Textur bisher nur theoretisch postuliert
Einer dieser theoretischen Defekte, als Textur bezeichnet, gleicht einem dreidimensionalen Energieklumpen, in dem die Energiefelder verdreht vorliegen. Er müsste als Temperaturabweichung im kosmischen Mikrowellenhintergrund zu erkennen sein, da dieser eine Art Strahlungskarte des frühen Universums darstellt. „Der kosmische Mikrowellenhintergrund ist das älteste Bild, das wir vom Universum haben“, erklärt Marcos Cruz vom Instituto de Fisica de Cantabria im spanischen Santander. „Daher ist es auch eines unserer wertvollsten Werkzeuge um die Ursprünge des Universums zu verstehen.“
Fleck im Mikrowellenhintergrund als erstes Indiz
Als Neil Turok von der Universität von Cambridge erstmals die Existenz der kosmischen Textur beschrieb und auch, wie sie nachgewiesen werden könnte, war der Mikrowellenhintergrund noch nicht genau genug kartiert, um Indizien für Texturen entdecken zu können. Seit 2001 allerdings hat die Sonde „Microwave Anisotropy Probe” (WMAP) ein detailliertes Bild der feinen kosmischen Temperaturschwankungen erstellt. Cruz und sein Team analysierten diese Mikrowellenkarte genauer und stellten fest, dass der kalte Fleck alle Eigenschaften besitzt, die man auch von der Textur erwarten würde. Sie schließen daraus, dass er ein deutliches Indiz für die Existenz des bisher nur theoretisch postulierten kosmischen Phänomens ist.
Blick in das frühe Universum
Auch wenn diese Schlussfolgerung noch durch weitere Analysen und Beobachtungen untermauert werden muss, könnte sie den Astronomen lange gesuchte Erkenntnisse darüber liefern, wie sich das junge Universum entwickelte. „Wir sind noch keinesfalls sicher, dass es sich hier um eine Textur handelt“, erklärt Turok. „Die Wahrscheinlichkeit, dass es nur eine zufällige Fluktuation ist, beträgt rund ein Prozent. Aber was sie so interessant macht ist die Tatsache, dass es eine ganze Reihe von Folgeuntersuchungen gibt, die wir nun durchführen können. Die Textur-Hypothese ist damit nun sehr prüfbar.“
„Diese Ergebnisse eröffnen uns die Möglichkeit, gezielter nach kosmischen Defekten im Gewebe des Kosmos zu suchen, ähnlich wie nach Störungen in einem Kristall“, erklärt Joanne Baker, Redakteurin der Fachzeitschrift „Science“. „Obwohl ihre Existenz von Theoretikern schon vor Jahrzehnten postuliert worden ist, sind sie bisher noch nie gesehen worden. Noch ist das endgültige Urteil über den Ursprung des kalten Flecks nicht gefällt, aber diese überraschende Erkenntnis ist belegbar und könnte zu einer ganz neuen Sicht des frühen Kosmos in den kommenden Jahren führen.“
(American Association for the Advancement of Science, 29.10.2007 – NPO)