Gegen den Beutellöwen, einen vor 50.000 Jahren ausgestorbenen Fleischfresser Australiens, hätte der heutige „König der Tiere“ keine Chance. Denn das kräftige Raubtier mit den furchteinflößenden Reißzähnen tötete schnell und blutig anstatt, wie die heutigen Raubkatzen, das Opfer im Würgegriff langsam zu ersticken.
Löwen und andere Großkatzen töten ihre Beute, beispielsweise Antipolen oder Gazellen, durch einen Biss in den Nacken. Dabei ist es jedoch nicht der Biss selbst, der den Tod bringt, sondern letztlich Luftmangel durch das Abdrücken der Luftröhre. Unter dieser kraftraubenden „Klammertechnik“ brauchen große Opfer wie Gnus manchmal bis zu 15 Minuten, um endlich zu sterben. Demgegenüber nutzte der ähnlich räuberisch lebende, aber zu den Beuteltieren gehörende Beutellöwe Thylacoleo carnifex eine ganz andere Strategie, wie eine in der Fachzeitschrift Journal of Zoology“ erschienene Studie nun demonstriert.
Schneller Tod statt Würgebiss
Stephen Wroe von der Universität von New South Wales analysierte die Tötungstechnik des in Australien vor 1,6 Millionen bis vor 50.000 Jahren beheimateten Beutellöwen mithilfe eines Computermodells. Mit ihm rekonstruierte er aus computertomografischen Schnitten eines Beutellöwen-Schädels die Muskel- und Skelettarchitektur und Mechanik des Schädels und Kauapparats. Es zeigte sich, dass die gesamte Struktur keineswegs an den klassischen Tötungsbiss der heutigen Säuger angepasst war. Im Gegenteil:
„Meine Ergebnisse deuten darauf hin dass der Beutellöwe eine einzigartige Tötungstechnik einsetzte“, erklärt der Zoologe. „Es nutzte seine massiven Schneidezähne um große Wunden zu erzeugen und schnell zu töten. Im Gegensatz zu allen lebenden fleischfressenden Säugetieren waren die Schneidezähne nicht nur Schlachtwerkzeuge sondern aktive Bestandteile des Tötungsprozesses.“
Überentwickelt für kleinere Beute
Im Verhältnis zu seiner Größe besaß Thylacoleo besonders kraftvolle Kiefermuskeln, die seinen Biss extrem effektiv und stark machten. „Seine gesamte Muskel- und Skelettarchitektur war so angeordnet, dass er eine bessere Hebelwirkung erzielte als die lebenden Großkatzen“, so Wroe. „T.carnifex war sicherlich für kleinere Beute absolut überentwickelt.“
Die neuen Ergebnisse stützen die Schlussfolgerung, dass der Beutellöwe regelmäßig Beute jagte, die im Verhältnis zu seiner eigenen Körpergröße von rund eineinhalb Metern sehr groß war. Er erreichte dabei eine schnelle Tötung der Opfer und widerstand selbst den gewaltigen Kräften, die die großen Beutetiere in ihrem Todeskampf freisetzten. „Wenn der Beutelöwe nicht ausgestorben wäre, könnte er die Spitzenposition noch über dem heutigen ‚König des Dschungels’ einnehmen.“
(University of New South Wales, 18.01.2008 – NPO)