Sechs verschiedene Moosarten haben britische Wissenschaftler im Bauch der 5.200 Jahre alten Südtiroler Gletschermumie Ötzi gefunden. Daraus konnten sie interessante Schlüsse ziehen, welchen Lebensstil der Mann besaß und welche Vorkommnisse zu seinem Tod geführt haben könnten. Die Forscher vermuten unter anderem, dass sich der Mann aus dem Eis möglicherweise auf einer Reise verletzte und anschließend seine Wunden verarztete.
Die Wissenschaftler um Professor James Dickson von der Universität Glasgow berichten über die Ergebnisse ihrer Studie in der Dezember-Ausgabe des Springer-Journals „Vegetation History and Archaeobotany“, das als Sonderheft ausschließlich Ötzi gewidmet ist.
Erste Gletschermumie mit Moosfragmenten im Verdauungstrakt
Was wir essen, sagt viel über uns aus, zum Beispiel, wo wir leben, wie wir leben und letztlich sogar, wann wir gelebt haben. Schottische Forscher haben daher in einer Studie den Verdauungstrakt von Ötzi näher unter die Lupe genommen. Der Mann aus dem Eis ist die erste Gletschermumie, bei der Moosfragmente im Bauch nachzuweisen waren.
Dies ist nach Angaben der Wissenschaftler deshalb überraschend, weil Moose weder genießbar sind noch einen Nährwert haben – es gibt auch nur wenige Hinweise darauf, dass Moose für innere medizinische Behandlungen verwendet wurden. Wenn sie an archäologischen Fundstätten nachzuweisen waren, sind sie im Allgemeinen als Füllmaterial, zum Reinigen oder Umwickeln verwendet worden.
Ötzi auf Reisen
Dickson und seine Kollegen untersuchten die Moosreste aus Ötzis Verdauungstrakt unter dem Mikroskop – sie wollten mehr wissen über seine Vergangenheit und die Umstände seiner letzten Lebenstage. Ihre Arbeit befasst sich im Detail mit den sechs Moosarten und geht zwei Schlüsselfragen nach: Erstens, wo kam der Ötzi in Kontakt mit diesen Moosen, und zweitens, wie gelangten sie in seinen Verdauungstrakt?
Die Autoren gehen davon aus, dass eine Moosart vermutlich verwendet wurde, um Nahrung einzuwickeln, eine zweite nahm Ötzi wohl kurz vor seinem Tod mit Wasser zu sich und eine weitere könnte als Verbandsmaterial gedient haben. Eine Moosart aus Ötzis Bauch ist in der Fundregion der Mumie überhaupt nicht bekannt, was nach Angaben der Wissenschaftler dafür spricht, dass er auf Reisen war.
Rund um Ötzi
In der Sonderausgabe von Vegetation History and Archaeobotany geht es aber nicht nur um Ötzis letzte Mahlzeit, sondern Wissenschaftler berichten auch über subfossilen Ziegendung von Ötzis Fundstätte, Pflanzenökonomie und dörfliches Leben in neolithischen See-Ansiedlungen zur Zeit des Mannes aus dem Eis und die Bedeutung der Südtiroler Gletschermumie für die Archäobotanik Mitteleuropas.
(Wissenschaftlicher Springer Verlag Heidelberg/Vegetation History and Archaeobotany, 02.12.2008 – DLO)