Vulkangesteine aus dem Atlas-Gebirge in Nordwest-Afrika gaben einem Kieler Forscherteam Rätsel auf. Neue Analysen zeigten nämlich, dass der „chemische Fingerabdruck“ dieser Gesteine denen der Vulkane der Kanarischen Inseln sehr ähnlich ist. Jetzt haben die Wissenschaftler eine Erklärung für das ungewöhnliche Phänomen gefunden: die Vulkane wurden über eine Art „Tunnel“ an der Unterseite der nordwestafrikanischen Platte von den Kanaren aus gespeist.
Es ist seit einigen Jahren bekannt, dass die vulkanische Entstehung des kanarischen Archipels mit einem so genannten Hotspot zusammenhängt. Dabei strömt im Erdinnern Material aus bis zu 2.900 Kilometern Tiefe auf und schmilzt dann im flachen Erdmantel in rund 60 bis 120 Kilometern Tiefe. Die dabei entstehenden Magmen streben zur Erdoberfläche und speisen die Vulkane der Kanarischen Inseln.
Seit rund 70 Millionen Jahren ist der Kanaren-Hotspot aktiv und hat im Atlantischen Ozean eine rund 700 Kilometer lange Spur von vulkanischen Unterwasserbergen und Inseln hinterlassen. Derzeit steht das aktive Zentrum des Hotspots unter dem westlichen Teil des Archipels.
Kanarischer Hotspot an Afrika vorbeigefahren
Auch im nordwestafrikanischen Atlas-Gebirge, etwa 1.000 Kilometer von den Kanaren entfernt, gibt es Vulkangesteine. Die Ergebnisse der Gesteinsanalysen zeigten ein verblüffendes Ergebnis: der chemische Fingerabdruck dieser ähnlich alten Gesteine ist mit denen der Kanaren vergleichbar.
„Dabei wissen wir, dass der kanarische Hotspot an Afrika ,vorbeigefahren‘ ist“, erläutert der Svend Duggen vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) in der Fachzeitschrift „Geology“. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Gesteine aus dem Atlas-Gebirge dennoch aus sehr ähnlichem Material aus dem oberen Erdmantel stammen“, so Duggen weiter.
Die Lösung des Rätsels sei eine Art Tunnel, ein Korridor unter Nordwest-Afrika, so die Theorie der Forscher. „Einige geophysikalische Studien hatten bereits gezeigt, dass die Untergrenze der Platte unter dem nordwest-afrikanischen Atlas-Gebirge anomal dünn ist. Die Untergrenze liegt dort in nur rund 75 Kilometer Tiefe, statt der sonst durchschnittlichen 150 Kilometer. Setzen wir die Informationen zusammen, handelt es sich räumlich betrachtet um eine Art Korridor an der Unterseite der nordwest-afrikanischen Platte“, beschreibt Duggen.
1.000 Kilometer langer Korridor
Der Korridor ist rund 1.000 Kilometer lang und 250 Kilometer breit. Der westliche „Tunneleingang“ liegt in der Nähe der Kanarischen Inseln, wo Material aus dem tiefen Erdmantel aufquillt. Ein Teil davon wird nach Angaben der Wissenschaftler abgelenkt, strömt in den Korridor unter dem Atlas-Gebirge ein und schmilzt mancherorts auf. Über viele Millionen Jahre hinweg hat das aufquellende Erdmantel-Material des weit entfernten Kanaren-Hotspots auf diese Weise Vulkane auf dem nordwest-afrikanischen Kontinent mit Magma speisen können.
Die neue Studie liefert, so die Forscher, wichtige Erkenntnisse zu Fließbewegungen im oberen Erdmantel und zur Ursache der Entstehung von Vulkanen auf Kontinenten, die weit entfernt von Plattengrenzen oder so genannten Hotspots liegen. „Die Quelle der Vulkane in Nordwest-Afrika liegt also ‚Jenseits von Afrika‘ im Atlantischen Ozean“, sagt IFM-GEOMAR-Forscher Duggen.
(idw – Leibniz-Institut für Meereswissenschaften, 26.03.2009 – DLO)