Um den Nanokosmos der Zelle – die Welt der Moleküle – zu untersuchen, greifen Wissenschaftler zunehmend auf die zelluläre Trickkiste zurück. Einem internationalen Forscherteam ist es jetzt gelungen, Desoxyribonukleinsäure (DNA)-Moleküle zu entwerfen, die sich von selbst zu winzigen Nanoboxen formen. Über molekulare „Schlösser“ lassen sich diese sogar kontrolliert öffnen und schließen, berichten die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe von „Nature“.
Wie Viren eine Zelle befallen, wie Nervenzellen Signale weiterleiten oder wie Proteine arbeiten – alle diese Vorgänge spielen sich im Nanokosmos der Zelle ab und sind für unser Auge unsichtbar. Um diese Welt weiter zu erforschen oder sogar in diese einzugreifen, entwickeln Forscher nicht nur hochauflösende Mikroskope, sondern greifen zunehmend auch auf zelluläre Bausteine zurück. Dabei machen sie sich vor allem einen Trick der Natur zunutze: Viele Zell-Moleküle kommen von selbst „in Form“ und lagern sich sogar selbstständig zu höchst komplexen Strukturen zusammen.
DNA, die von selbst in Form kommt
Forscher der Universität Aarhus und des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie in Göttingen haben jetzt erstmals Desoxyribonukleinsäure (DNA)-Moleküle entworfen, die sich nicht zu verknäuelten DNA-Strängen formen, wie wir sie aus der lebenden Zelle kennen. Stattdessen falten sie sich selbstständig zu einer dreidimensionalen Box. Doch wie bringt man DNA dazu, genau diese Form anzunehmen?
„Wir nutzen aus, dass DNA die Fähigkeit besitzt, sich selbst zu definierten Strukturen zu organisieren. Diese können wir über die Reihenfolge ihrer Basen-Bausteine vorbestimmen“, erklärt Jørgen Kjems von der Universität Aarhus. Mithilfe eines speziellen Computer-Verfahrens haben die Wissenschaftler sechs DNA-Stränge entworfen.
Jeder dieser DNA-Stränge lässt sich zu einer zweidimensionalen „Miniatur-Wandplatte“ zusammenketten. Im nächsten Schritt erfolgte das Design und Anbringen der Ösen, um die sechs Wandplatten aneinander zu klammern. Der Clou an der Box ist der verschließbare Deckel: Die Box ist mit einem molekularen Schloss ausgestattet, das sich über winzige DNA-Schlüssel öffnen und schließen lässt.
Struktur unter die Lupe genommen
Mit einer Größe von nur 42 mal 36 mal 36 Nanometern (millionstel Millimetern) und einer Wanddicke von knapp 2,5 Nanometern sind diese DNA-Boxen nanoskopisch klein und weder für unser Auge noch für konventionelle Lichtmikroskope sichtbar. Doch in der Welt der Moleküle bieten sie viel Platz. Auch große makromolekulare Maschinen der Zelle ließen sich darin mühelos verstauen, beispielsweise ein ganzes Ribosom – die Proteinfabrik der Zelle.
Dass die DNA-Moleküle tatsächlich richtig gefaltet sind, davon konnten sich die Wissenschaftler erst mithilfe ausgeklügelter struktureller Methoden wie der Rasterkraftmikroskopie, der Kryo-Elektronenmikroskopie und der Röntgenkristallographie überzeugen. „Die meisten DNA-Moleküle liegen tatsächlich zu Nanoboxen gefaltet vor“, sagt der Strukurbiologe Holger Stark, der am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie und am Göttinger Zentrum für Molekulare Biowissenschaften forscht.
Ob sich die Nano-Box kontrolliert über DNA-Schlüssel öffnen und schließen lässt, sehen die Forscher so allerdings nicht. Um dies zu testen, markierten sie den molekularen Schließmechanismus mit zwei unterschiedlichen Fluoreszenzfarbstoffen am Deckel und an der Wand der Box.
Nanocontainer als Wirkstofftaxi?
„Ist die Box geschlossen, sind die beiden Farbstoffe in unmittelbarer Nähe zueinander und wir können ein deutliches Signal messen. Durch Hinzufügen der Schlüssel wurde dieses Signal sehr viel schwächer. Der Abstand zwischen den beiden Farbstoffen hat sich vergrößert – weil sich der Deckel geöffnet hat“, erklärt Stark.
Doch wozu lässt sich ein solcher Nano-Transporter einsetzen? Denkbar wäre, dass mit diesem Nanocontainer Wirkstoffe in der Zelle transportiert und erst an Ort und Stelle durch ein spezifisches Signal freigesetzt werden. Aber auch andere Anwendungen wären prinzipiell möglich, beispielsweise DNA-Bauelemente für Mikroelektronik.
(idw – Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, 12.05.2009 – DLO)