Dior, Versace, Gucci – sie alle werben um die Gunst der Life-Style-Society. Doch keines ihrer Gewänder vermag, was ein jetzt von Wissenschaftlern konstruiertes Kleid kann: durch winzige, in den Stoff integrierte Dioden leuchtet es. Und nicht nur das: Durch integrierte Beschleunigungssensoren und einem Mikrocontroller werden die Bewegungen der Trägerin detektiert und die Dynamik in ein Lichtmuster umgewandelt.
Möglich wird das textil-integrierte LED- Display durch eine der derzeit spannendsten Entwicklungen aus dem Bereich der Leiterplattenindustrie: den dehnbaren Schaltungsträger. Im europäischen Forschungsprojekt STELLA (STretchable ELectronics for Large Area Applications) haben Wissenschaftler am Fraunhofer IZM und der TU Berlin nun einen Prozess zur Herstellung solcher Elektronik entwickelt. Als Substratmaterial nutzen sie eine dehnbare Folie aus Thermoplastischem Polyurethan (TPU). TPU ist in der Textilindustrie seit Langen aufgrund hervorragender Eigenschaften wie Reiß- und Abriebfestigkeit vielseitig eingesetzt und erprobt, so zum Beispiel als atmungsaktive Membran in Regenschutzbekleidung.
Leiterbahnen als Mäander
Um die hoch leitfähigen, aber an sich starren Kupferleiterbahnen ebenfalls Dehnungen aussetzen zu können, werden diese in Form kleiner Mäander auf dem Substrat strukturiert. Je nach Design der Mäanderbögen und Anwendungsbereichen konnten die Forscher damit Elastizitäten von bis zu 300 Prozent erreichen. Auch an einer schützende Abdeckung der Leiterbahnen und einer Verkapselung der elektronischen Komponenten wird gearbeitet, um das System vor mechanischen und klimatischen Umwelteinflüssen zu schützen. Besonders herausfordernd ist die Zielsetzung, ein waschbares System zu entwickeln.
Bei der Entwicklung des dehnbaren Schaltungsträger wurde Wert auf die Realisierung unter Zuhilfenahme konventioneller Fertigungsprozesse der Leiterplattenindustrie gelegt. So wird eine 18-35 µm dünne Kupferfolie auf das TPU laminiert, welche dann mit gängigen Belichtungs- und Ätztechniken strukturiert werden kann. Beim Bestücken solcher Leiterplatten ist die größte Herausforderung der Übergang vom dehnbaren Substrat zu den starren Einzelkomponenten. Um die Elastizität an diesen Stellen zu unterdrücken, bauen die Forscher um die Komponenten herum Zugsperren in das Kupfer ein.
Neuland mit gängigen Verfahren
Sowohl für die Bestückung wie auch die anschließende Verkapselung greifen sie dabei auf gängige Materialien und Verfahren wie Niedertemperaturlote, leitfähige Klebeverbindungen, Dispensen oder Spritzguss zurück. Solche Verfahren sind kostengünstig und bei Leiterplattenherstellern seit Jahren etabliert. Die auf diese Weise hergestellte dehnbare Leiterplatte lässt sich dann in einem Standard-Verfahren, dem Thermopressen, bei etwa 190 °C problemlos in Textilien übertragen. Der Vorteil: die dehnbare TPU-Folie dient einerseits als Schaltungsträger, andererseits auch als Fixierung der Elektronik auf dem Textil. Nach dem Transferprozess bleiben sogar textile Eigenschaften wie Flexibilität, Reißbeständigkeit und Biegestabilität erhalten; die Elektronik „verschwindet“ nahezu unsichtbar im Stoff.
Anwendungf: Mehr als nur Kleidung
Diese Vorteile zunutze machten sich Designstudenten von der HTW- und der UdK Berlin, die mit den Innovationen neue Konzepte für die smarte Kleidung der Zukunft realisiert haben. Die interdisziplinäre Kooperation zwischen Designern und einer Gruppe von Forschern vom Fraunhofer IZM wurde mit dem diesjährigen Avantex Innovationspreis für das interaktive Kleid ausgezeichnet.
Die Anwendungsmöglichkeiten des dehnbaren Schaltungsträgers begrenzen sich aber nicht nur auf „Fashionable Technologies“, sondern ermöglichen beispielsweise neue Produkte im medizinischen Bereich. Gerade überall dort, wo Sensoren nah am Körper getragen werden müssen, um dessen Vitalparameter zu messen und zu überwachen, können dehnbare Schaltungsträger einen wichtigen Vorteil bieten: Sie passen sich der Form und der Dynamik des Körpers an und können so zuverlässig sowie komfortabel
getragen werden.
Daher werden im Projekt STELLA zusammen mit den Partnern neue Produktideen realisiert: So ein Trikot für Kleinkinder deren Atmung überwacht wird, um den noch immer ungeklärten plötzlichen Kindstod zu verhindern. Ein „intelligenter“ Wundverband kann Sekrete detektieren oder mittels Druckmessung dafür sorgen, dass der Verband nicht zu eng sitzt. Entwickelt wird auch ein Pflaster, das durch Elektrostimulation den Wundheilungsprozess beschleunigt.
(Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM, 29.05.2009 – NPO)