Die leuchtende Sonnenkugel wandert Richtung Horizont und taucht den Himmel allmählich in ein atemberaubendes Farbenspiel: Leuchtendes Gelb, sattes Orange, flammendes Rot – ein spektakuläres und sehr beliebtes Fotomotiv. Ironischerweise soll es aber nicht in einsamen Naturparadiesen die schönsten und romantischsten Sonnenuntergänge geben, sondern gerade dort, wo die Luft am dreckigsten ist. Je mehr Staub desto farbenprächtiger der Abendhimmel, so heißt es. Aber stimmt das tatsächlich?
„Das kommt ganz auf die Größe der Partikel an“, sagt Metin Tolan, Professor für experimentelle Physik an der TU Dortmund. Tatsächlich entständen bei einem Sonnenuntergang besonders intensive Farben, wenn sehr viele kleine Staubteilchen in der Luft schwebten, kleine Rußteilchen von den Autoabgasen beispielsweise. Denn wenn eine Lichtwelle auf ein solches Partikelchen trifft, wird sie gestreut, sprich von ihrer geraden Bahn abgelenkt. Ein langwelliger Lichtstrahl, den unser Auge als rot wahrnimmt, wird dabei weniger stark gestreut als ein blauer kurzwelliger Lichtstrahl der Farbe Blau.
„Die Staubteilchen filtern quasi die letzten Anteile des kalten Blaus aus dem abendlichen Sonnenlicht heraus“, sagt Andreas Bott, Meteorologe an der Universität Bonn, „und es bleiben nur noch die warmen Farben übrig.“ Bei vielen kleinen Schmutzpartikeln in der Luft kommen daher die Rottöne noch mehr zum Vorschein als am Abendhimmel eh schon, „die rote Farbe wird noch voller und kräftiger“, erläutert Tolan.
Am Abend, wenn die Sonne knapp über dem Horizont steht, haben die Lichtstrahlen eine viel weitere Strecke durch die Atmosphäre der Erde zurückzulegen. Die kurzwelligen Lichtwellen stoßen auf diesem Weg so oft mit Teilchen zusammen, dass sie komplett verloren gehen, bis das Licht bei uns ankommt. Übrig bleiben bis auf einige wenige Reste nur die langwelligen roten Lichtwellen – und die sehen wir dann am Himmel.
Vulkanausbrüche verschönern den Himmel
Sehr kleine Staubteilchen in der Luft haben dieselbe Wirkung auf die Lichtwellen wie die Luftmoleküle. „Aber wenn sie zu groß sind, streuen sie das Sonnenlicht nicht mehr“, sagt Bott, „sondern sie absorbieren es.“ Dabei erzeugen sie keine schönen Farben, sondern verdunkeln einfach nur den Himmel. „Große Partikel können das Licht auch reflektieren“, ergänzt Tolan. Dann helle sich der Himmel eher auf, es gebe weißliche Reflexe.
„Besonders schöne Sonnenuntergänge gibt es einige Tage nach Vulkanausbrüchen“, sagt der Meteorologe Bott, „nämlich wenn sich die großen Aschepartikel abgesetzt haben und nur noch die ganz feinen Partikel in der Atmosphäre schweben.“ Das hat Forscher sogar auf die Idee gebracht, in alten Gemälden nach vergangenen Vulkanausbrüchen zu suchen.
Christos Zerefos von der Universität in Athen hat mit seinen Kollegen viele hundert Bilder von Sonnenuntergängen untersucht, die Rubens, Rembrandt und andere Künstler gemalt hatten. Die Meteorologen analysierten mit einem Computer die Rot-Grün-Werte der dargestellten Horizonte. Tatsächlich entstanden nach Angaben der Forscher die Bilder mit den rötesten und damit schönsten Sonnenuntergängen in den Jahren, die einem dokumentierten Vulkanausbruch folgten.
17.02.2012 – BO