Träumt die Katze wirklich von der Mäusejagd, wenn sie im Schlaf mit den Pfoten zuckt und die Augen schnell hin und her bewegt? Ist das leise Winseln und Knurren, das der schlafende Hund ausstößt, tatsächlich ein schwacher Spiegel seiner Traumerlebnisse?
„Verschiedene Belege deuten darauf hin, dass Säugetiere und vielleicht auch Vögel träumen“, sagt Niels Rattenborg vom Max-Planck Institut für Ornithologie in Seewiesen. Was Hund oder Katze allerdings im Traum erleben, ist für Forscher schwer zu erfassen. Denn mangels Sprache können die Tiere uns ihre Schlaferlebnisse nicht mitteilen.
Ist REM-Schlaf gleich Träumen?
Bekannt ist, dass fast alle Säugetiere einen Teil ihrer Schlafenszeit im so genannten REM-Schlaf verbringen – der Schlafphase, in der der Mensch am lebhaftesten träumt. In dieser Zeit sind die meisten willkürlich bewegbaren Muskeln gelähmt, nur die Augen zucken schnell unter den Lidern hin und her. Aktiv ist auch das Gehirn, die Gehirnwellen zeigen ein deutlich schnelleres, abwechslungsreicheres Muster als beim Tiefschlaf.
Zwischen zehn und 25 Prozent ihres Schlafs – und damit nahezu genauso lange wie der Mensch – verbringen Hund, Katze oder Gorilla in dieser Schlafphase. Aber bedeutet der REM-Schlaf auch automatisch, dass sie träumen, wie wir es tun? „Schon aus einer evolutionären Perspektive ist es wahrscheinlich, dass die Fähigkeit zu träumen in der Evolution schon vor dem Menschen entwickelt wurde“, sagt Rattenborg. Die Schwierigkeit bestehe darin, dies zu beweisen.
Schlafende Katzen im Jagdfieber
Ein Aufsehen erregendes Experiment führte der französische Schlafforscher Michel Jouvet schon in den 1960er Jahren durch. Ihm gelang es, die normalerweise im REM-Schlaf vorhandene Muskellähmung bei Katzen aufzuheben. Diese schliefen zunächst ganz normal ein, im REM-Schlaf jedoch war es mit der Ruhe vorbei: Die Katzen buckelten, fauchten, liefen im Käfig umher, ihr Fell sträubte sich. „Das Verhalten der schlafenden Tiere war so wild, dass selbst die Experimentatoren zurückzuckten“, berichtet Jouvet in einem Artikel.
Die Katzen verhielten sich offensichtlich so, als ob sie jagten oder gegen einen unsichtbaren Feind kämpften. Während der gesamten Zeit schliefen die Tiere jedoch so fest, dass sie weder Lichtblitze noch verlockend duftendes Futter aufwecken konnten. Für Jouvet war dies ein Beleg für die Fähigkeit der Katzen, typische Erfahrungen im Traum nachzuerleben – ähnlich wie wir Menschen.
Üben Ratten Labyrinthgänge im REM-Schlaf?
„Ein anderer Ansatz, Träume in Tieren zu untersuchen, ist der Vergleich der Gehirnaktivität im REM-Schlaf mit der während einer davor im Wachen ausgeführten Tätigkeit“, sagt Rattenborg. Einen solchen Test führten Kenway Louie und Matthew Wilson vom Massachusetts Institute of Technology im Jahr 2001 mit Ratten durch. Sie trainierten die Tiere darauf, ein Labyrinth zu durchlaufen. Dabei und in der nachfolgenden Schlafphase wurden ihre Hirnströme mittels Elektroenzephalografie (EEG) aufgezeichnet.
Beim Vergleich der EEGs entdeckten die Forscher in beiden zahlreiche Parallelen. „Diese Muster deuten darauf hin, dass Spuren des episodischen Gedächtnisses im REM-Schlaf reaktiviert werden“, konstatierten die Wissenschaftler. Damit sprechen viele Indizien dafür, dass zumindest Säugetiere ähnlich wie wir Menschen im Traum Tageserlebnisse rekapitulieren. Ob sie sich aber auch ihrer Träume bewusst sind, bleibt fraglich: „Solange es keinen verbalen Bericht über die bewusste Erfahrung des Träumens von einem Tier gibt, werden die Zweifel bleiben“, sagt Rattenborg.
08.01.2013 – NPO/dapd