„Bier formte diesen Körper“ – dieser Spruch prangt besonders gern auf T-Shirts, die kapitale Männerbäuche umhüllen. Und nicht nur die Träger solcher Statements, auch viele andere sind überzeugt: Der Bierbauch ist nicht umsonst sowohl im Deutschen als auch im Englischen, Französischen und Spanischen nach dem beliebten Getränk benannt. Doch ist es tatsächlich das Bier, das die typische Körperform hervorruft? Oder könnte der Bierbauch auch Weinbauch heißen?
„Die Frage, ob es einen Bierbauch gibt, müssen wir nach dem jetzigen Stand des Wissens mit einem klaren ‚Jein‘ beantworten“, sagt Heiner Boeing. Er ist Leiter der Abteilung Epidemiologie am Deutschen Zentrum für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke und hat bereits in mehreren großen Studien untersucht, ob Bier und Bauch wirklich immer Hand in Hand gehen. Die Ergebnisse seien leider weniger klar ausgefallen, als er es erwartet habe, resümiert der Experte. Eines habe sich jedoch herauskristallisiert: Es gibt tatsächlich einen Zusammenhang zwischen dem Bauchumfang und dem Bierkonsum. Aber: „Der Effekt ist nie ausschließlich auf den Bauch beschränkt, sondern immer mit einer allgemeinen Gewichtszunahme verbunden“, betont Boeing.
Zusätzliche Kalorienzufuhr am Abend
Verantwortlich dafür ist unter anderem der hohe Energiegehalt des Getränks. „Man muss hier ja nicht nur die Kalorien aus dem Alkohol zählen, sondern auch die aus den Kohlenhydraten, die ebenfalls im Bier enthalten sind“, berichtet der Experte. Diese Zusatzkalorien werden fast unbemerkt konsumiert, etwa abends nach Feierabend, zum Essen oder auch während des Fernsehens. Da kommt einiges zusammen – viel mehr als bei anderen Alkoholika wie beispielsweise Wein. „Es gab eine ganze Reihe Studienteilnehmer, die jeden Tag mehr als einen Liter Bier getrunken haben“, berichtet der Ernährungswissenschaftler. „Es ist also auch ein Mengenphänomen, dass der Einfluss von Bier auf das Körpergewicht in den Studien so klar erkennbar ist.“
Dazu kommt, dass sich die zusätzlichen Pfunde an Männer- und Frauenkörpern völlig unterschiedlich festsetzen. „Frauen haben mehrere Möglichkeiten, Fett einzulagern. Männer dagegen speichern es fast ausschließlich am Bauch“, erläutert der Experte. Deswegen sei der Bauch bei einem übergewichtigen Mann sehr viel dominanter als bei einer übergewichtigen Frau. Das ist – neben den Unterschieden bei den konsumierten Mengen – Boeings Ansicht nach einer der wesentlichen Gründe dafür, dass sich das Bild vom Mann mit Bierbauch so fest etablieren konnte.
Bier lässt Fettpolster wandern
Allerdings scheint der Bierkonsum tatsächlich eine Verschiebung der Fettverteilung zu fördern – vom eher unproblematischen Unterhaut-Fett zum gesundheitlich bedenklichen Bauchfett, das sich zwischen den inneren Organen und in der Leber einlagert. Warum das so ist, können die Ernährungsforscher noch nicht genau sagen. „Wahrscheinlich spielen hier mehrere Faktoren zusammen“, mutmaßt Boeing. Einer davon könnten die Inhaltsstoffe des Gebräus sein. So enthält Bier beispielsweise hormonähnliche Substanzen aus dem Hopfen, die möglicherweise den Fettstoffwechsel beeinflussen.
Wichtiger für den Bauch scheint jedoch der allgemeine Lebensstil zu sein. Ein hoher Bierkonsum geht häufig mit einem eher wenig aktiven Lebenswandel und einer ungesunden Ernährung einher, sagt Boeing. Dabei sei gerade fehlende Bewegung nachgewiesenermaßen ein Risikofaktor für die Bildung von Bauchfett. Ähnliche Wirkung wie Bier haben aber auch zuckerhaltige Getränke auf das Gewicht. Boeing hält das für ein großes Problem: „Das zunehmende Angebot von zuckerhaltigen Limonaden in sehr großen Flaschen könnte dazu führen, dass zum Bierbauch auch bald der Limonaden-Bauch kommt – und zwar nicht nur bei älteren Männern“, mahnt er.
24.08.2012 – ILB