„Ich habe mein erstes Kind bekommen, und jetzt passen meine Schuhe nicht mehr!“, schreibt eine Frau im Internetforum für Familien. Eine andere antwortet: „Mir geht es genauso: Ich hatte vorher Schuhgröße 41, jetzt hab ich 42!“ Und eine dritte: „Die Hälfte meiner Schuhe muss ich aussortieren. HEUL!“ Viele Frauen haben offenbar dieses Problem: Während der Schwangerschaft scheinen ihre Füße gewachsen zu sein. Stimmt das oder bilden sie sich das nur ein?
Diese Frage war sogar Thema einer Doktorarbeit am Universitätsklinikum Münster. Mediziner Johannes Christian Hentschel vermaß dafür regelmäßig die Füße von 40 werdenden Müttern im Laufe der Schwangerschaft. Und tatsächlich: „Im Ergebnis nahmen Fußlänge, -breite und -volumen zu“, schreibt er. Der Fuß wurde im Durchschnitt 1,8 mm länger und 2 mm breiter. „Diese Längenzunahme entspricht ungefähr einer viertel Schuhgröße“, heißt es in der Doktorarbeit. Der rechte Fuß wuchs dabei stärker als der linke.
Einbildung ist das also offensichtlich nicht. „Gegen Ende der Schwangerschaft tritt das Phänomen mehr oder weniger bei fast bei allen Frauen auf“, sagt auch Stephanie Gawlik, Assistenzärztin in der Frauenklinik des Universitätsklinikums Heidelberg. „70 Prozent von ihnen passen die Schuhe noch, 30 Prozent brauchen eine Schuhgröße mehr oder müssen Schuhe anziehen, die eh etwas breiter geschnitten sind.“
Mehr Wasser in den Füßen
Die Füße der Schwangeren werden größer, weil die Frauen vermehrt Wasser in ihrem Gewebe einlagern, erklärt Gawlik. „Wenn die Gebärmutter wächst, drückt sie im Becken auf Lymphgefäße und Venen.“ Durch den erhöhten Druck in den Gefäßen fließt das Blut aus den Füßen langsamer zum Herzen zurück – es kommt zum Rückstau. „Dadurch tritt mehr Wasser aus dem Blut ins Gewebe über und lagert sich da ein.“ Der Schwerkraft folgend, macht sich das in den Füßen besonders stark bemerkbar.
Die Hormone in der Schwangerschaft begünstigen diese Entwicklung noch, sagt Gawlik: „Die Hormone machen das Gewebe lockerer, damit die Gebärmutter wachsen kann.“ Dadurch kann aber auch Wasser besonders leicht vom Blut ins Gewebe gelangen.
Schwangere, die solchen Wassereinlagerungen entgegen wirken möchten, sollen Kompressionsstrümpfe tragen, rät Gawlik. Durch den äußeren Druck auf die Beine gelangt weniger Wasser ins Gewebe. „Es verhindert das Größerwerden der Füße zwar nicht komplett, aber es wird weniger.“
Fast immer nur vorübergehend
Bleibend seien die Veränderungen nicht, beruhigt die Frauenärztin: „In den Wochen nach der Geburt schwemmt der Körper das Wasser wieder aus.“ Dann bekämen die Füße ihre alte Größe zurück. Das könne allerdings um die sechs Wochen dauern. Beim nächsten Kind beginne die Entwicklung dann wieder von vorne.
Hentschel hat in seiner Doktorarbeit Frauen mit Kindern im Kindergartenalter dazu befragt. Ein Teil von ihnen berichtete ebenfalls, dass sie nur zeitweise größere Schuhe tragen mussten, nach einiger Zeit aber wieder zu ihrer alten Schuhgröße zurückkehren konnten. Einige hingegen gaben an, bleibend ihre Schuhgröße verändert zu haben. „Hierbei ist jedoch zu erwähnen, dass es sich bei den Daten um subjektive Antworten handelt“, schreibt Hentschel dazu. Wie sich die Füße in der Zeit nach der Geburt verändert haben, hat er nicht mehr gemessen.
Im Übrigen können sich auch ganz ohne Schwangerschaft die Füße mit dem Alter vergrößern: Denn das Körpergewebe verliert dann allmählich seine Spannkraft. Auch das Fußgewölbe gibt dem jahrelangen Druck des Körperwichts langsam nach und wird etwas flacher. Dadurch vergößert sich die Auflagefläche des Fußes, er wird länger und breiter. Als Folge benötigen wir nun eine oder sogar zwei Schuhgrößen mehr.
16.03.2012 – BO