Pflanzen haben mehrere Strategien entwickelt, um mit ihren Blättern möglichst viel Sonnenlicht einzufangen. Wie auch bei Topfpflanzen am Wohnzimmerfenster zu beobachten, wachsen sie immer in Richtung des einfallenden Lichts. So können sie ihren Energiebedarf durch Photosynthese optimal decken. Was aber ist die treibende Kraft hinter dieser Bewegung? Wie schaffen es die eigentlichen unbeweglichen Pflanzen, sich selbst aus dunkelsten Ecken zum Licht hin zu krümmen?
Das Wachstum der Pflanzen zum Licht ist besonders zu Beginn eines Pflanzenlebens wichtig. Viele Samen keimen im Boden aus und ernähren sich im Dunkeln von ihren begrenzten Stärke- und Fettreserven. Durch massives Längenwachstum entgegen der Schwerkraft, die als erste Orientierungshilfe dient, streben die Keimlinge an die Oberfläche. Mit Hilfe hochsensibler Lichtdetektor-Proteine finden sie den kürzesten Weg zum Sonnenlicht – und können sich dafür auch in die Richtung des Lichts krümmen. „Auch erwachsene Pflanzen krümmen sich in die Richtung des stärksten Lichteinfalls; und sie bewerkstelligen das, indem sich die Zellen des Stamms auf der dem Licht abgewandten Seite verstärkt strecken. Diese Form des lichtgerichteten Wachstums nennt man Phototropismus“, erklärt Claus Schwechheimer von der Technischen Universität München (TUM).
Pflanzenhormon Auxin hilft beim Biegen
Die Bewegungen der Pflanzen hat schon der große Naturforscher Charles Darwin 1880 in seinem Standardwerk „The power of movement in plants“ erstmals ausführlich beschrieben. Dass bei der Licht-gesteuerten Krümmung das Pflanzenhormon Auxin eine Rolle spielen könnte, schlug bereits 1937 vom niederländischen Forscher Frits Went vor. Obwohl danach viele Beobachtungen dieses Modell unterstützten, fehlte bisher der Beweis dafür, dass das Auxin auch wirklich an diesem Prozess beteiligt ist. Die Antwort auf diese Frage haben kürzlich erst Forscher aus München und Lausanne gefunden.
Wie sie feststellten, ist für diese Zellstreckung tatsächlich das Auxin verantwortlich. Dieses Pflanzenhormon wird in Zellen an der Sprossspitze gebildet und von dort aus von Zelle zu Zelle weitergeleitet. So gelangt es über viele Zwischenstationen zu seinem Bestimmungsort, den Zellen auf der dem Licht abgewandten Seite. „Export- und Importproteine schleusen das Auxin aus der Zelle heraus, und dann vom Zellenzwischenraum wieder in die nächste Zelle, und so weiter – bis es letztlich an seinem Ziel ankommt“, sagt Schwechheimer. Dort regt das Auxin die Zellen zum Teilen an und als Folge krümmt sich der Stängel der Pflanze leicht und wächst zum Licht hin.
Damit das Hormon an seinen Bestimmungsort kommt, benötigt es aber die Transportproteine. Welche Auswirkungen es hat, wenn eines oder beide Varianten dieser Stoffe fehlen, zeigt das Experiment der Forscher: Schalteten sie die „PINs“ genannten Exportproteine bei einer Pflanze aus, wurden diese unsensibel gegenüber dem Licht. Unabhängig vom Lichteinfall wuchsen sie entgegen der Schwerkraft nach oben. Ähnliches geschah, wenn die Forscher ein Enzym blockierten, das diese Proteine aktiviert. Auch dann funktionierte der Phototropismus nicht mehr. Damit konnten die Wissenschaftler erstmals eindeutig belegen, dass das Hormon Auxin der Stoff ist, der den Pflanzen die Kraft zum Phototropismus gibt.
31.05.2013 – NPO