Von blassgelb bis bräunlich: Unser Urin ist standardmäßig gelb, kann aber unterschiedliche Farbnuancen annehmen oder sich auch verfärben. Doch welcher Stoff ist eigentlich für den typischen Gelbton verantwortlich und wo kommt er her? Warum ist der Morgenurin besonders dunkel und wann wird Urin rosa? Antworten auf ein alltägliches biologisches Phänomen, das Forschende erst kürzlich vollständig verstanden haben.
Standardmäßig sieht unser Urin gelblich aus. Unter bestimmten Umständen kann er sich aber auch verfärben und etwa neon-gelb, orange, rot, lila, braun oder sogar grün erscheinen. Dahinter steckt meist ein harmloses Phänomen: In der Regel haben wir über unsere Nahrung oder Nahrungsergänzungsmittel mehr Vitamin B2 (gelborange), Vitamin B12 (rot), Vitamin D (gelb) oder anderen farbigen Inhaltsstoffen aus Pflanzen zu uns genommen, als wir brauchen. Diese werden dann mit dem Urin wieder ausgeschieden.
Auch verschiedene künstliche und natürliche Lebensmittelfarbstoffe können den Urin verfärben. Nach dem Verzehr von roter Beete kann er beispielsweise durch den darin enthaltenen Farbstoff Betain rosa aussehen. Durch Betacarotine aus Karotten kann Urin orangegrün erscheinen, durch Eisen aus verschiedenen Nahrungsmitteln sogar rotbraun bis schwarz. Über die genaue Farbe entscheidet dann der pH-Wert des Urins und unser persönlicher Stoffwechsel. Bei selber Ernährung kann der Urin von zwei Menschen daher andersfarbig erscheinen.
Urobilin färbt Urin gelb
Die typische Gelbfärbung unseres Urins, die wir beinahe jeden Tag beobachten, wird hingegen nicht durch ein Lebensmittel, sondern den natürlichen Farbstoff Urobilin hervorgerufen, wie die Wissenschaft seit über 125 Jahren weiß. Je nachdem, wie niedrig oder hoch konzentriert Urobilin im Urin vorkommt, erscheint dieser mal nur blassgelb und fast farblos oder ist intensiv braungelb gefärbt.
Besonders dunkelgelb ist üblicherweise der Morgenurin. Der Grund: Weil wir während der Nacht für gewöhnlich nichts trinken und unsere Nieren verstärkt Wasser reabsorbieren, enthält der Urin morgens weniger Wasser und höhere Konzentrationen an Abfallstoffen wie Urobilin. Dasselbe kann auch passieren, wenn wir über einen längeren Zeitraum zu wenig getrunken haben. Wenn wir tagsüber hingegen sehr viel trinken, ist im Harn nur wenig Farbstoff enthalten und er erscheint beinahe farblos.
Abbauprodukte aus dem Blut
Doch wo kommt das typisch gelbe Urobilin her und wie gelangt es in unseren Harn? Der Ursprung liegt in unseren roten Blutkörperchen, die nur eine Lebensdauer von etwa sechs Monaten haben. Danach werden sie von der Leber abgebaut und durch neue Blutkörperchen aus dem Knochenmark ersetzt. Beim stetigen Abbau des in den Blutzellen enthaltenen roten Farbstoffs Hämoglobin entsteht als Nebenprodukt zunächst ein leuchtend orangefarbener Farbstoff namens Bilirubin.
Dieser landet mit der Galle im Darm, wo er über den Stuhl ausgeschieden oder durch die dort ansässige Flora an Mikroorganismen weiter in andere Moleküle umgewandelt wird. Am Ende dieser Kette steht unter anderem der gelbe Farbstoff Urobilin. Dieser verlässt unseren Körper entweder ebenfalls über den Stuhl oder wird aus dem Darm ins Blut reabsorbiert, darin in die Niere transportiert und dort über den Harn ausgeschieden.
Letztes Detail der Urinfarbe entschlüsselt
Doch trotz dieses vermeintlich seit Langem bekannten Prozesses war der Wissenschaft seit über einem Jahrhundert ein Detail verborgen geblieben. Erst kürzlich haben Forschende das Geheimnis gelüftet, wie der gelbe Farbstoff genau entsteht. Wie Wissenschaftler um Brantley Hall von der University of Maryland mit Genomvergleichen herausgefunden haben, ist nur ein einziges Enzym dafür verantwortlich: die Bilirubin-Reduktase (BilR). Diese kommt in zahleichen Arten unserer bakteriellen Darmbewohner vor.
„Darmmikroben enthalten das Enzym Bilirubin-Reduktase, das Bilirubin in ein farbloses Nebenprodukt namens Urobilinogen umwandelt“, erklärt Hall. „Urobilinogen zerfällt dann spontan zu einem Molekül namens Urobilin, das für die gelbe Farbe verantwortlich ist, die wir alle kennen.“ Die häufigsten Produzenten dieses Enzyms in unserem Darm sind der Studie zufolge Firmicuten. Zu diesem Bakterienstamm gehören zum Beispiel Laktobazillen und Clostridien.
Darmbakterien könnten an Gelbsucht beteiligt sein
Die Erkenntnis, dass der gelbe Urinfarbstoff durch Enzyme von Darmmikroben gebildet wird, könnte künftig auch helfen, genauer zu verstehen, welche Rolle unsere Darmflora bei entzündlichen Darmerkrankungen (IBD) und Gelbsucht spielt. Denn bei diesen Krankheiten wird der orangene Farbstoff Billirubin nicht richtig ausgeschieden, sondern aus dem Darm wieder ins Blut resorbiert, wie frühere Studien zeigten. Dort sammelt er sich an und führt zu verschiedenen Beschwerden. Bei Gelbsucht färben sich beispielsweise die Haut und die Augen gelb, IBD-Patienten leiden unter schmerzhaften Gallensteinen.
Wie Hall und seine Kollegen herausfanden, kommt die Bilirubin-Reduktase BilR im Darm von fast allen gesunden Erwachsenen vor. Bei Neugeborenen, die in den ersten Lebensmonaten erfahrungsgemäß anfälliger für Gelbsucht sind, und Personen mit entzündlichen Darmerkrankungen fehlt das Enzym jedoch häufig. Die Wissenschaftler nehmen daher an, dass das Fehlen von BilR zur Gelbsucht bei Säuglingen und zur Bildung von Gallensteinen bei Erwachsenen beitragen kann. (Nature Microbiology, 2024; doi: 10.1038/s41564-023-01549-x)
Quelle: University of Maryland