Kratzen, Kreischen, Quietschen und eine garantierte Gänsehaut: Das Geräusch von Fingernägeln auf unlackiertem Ton, schrillender Kreide an einer Tafel oder einem Messer auf einem Porzellanteller lässt die meisten Menschen zusammenzucken und ist für viele geradezu unerträglich. Die Ursachen dieser Missklänge sind in der Regel harmlos – warum sind wir gerade für dieses Geräusch so empfindlich?
Mehrere Wissenschaftler haben sich bereits an dieser Frage versucht, und gleich mehrere Theorien entwickelt. Die Studie des Teams um den Psychologen Randolph Blake von der Vanderbilt University wurde sogar mit einem Ig-Nobelpreis ausgezeichnet. Blake und seine Kollegen kratzten mit den Zinken einer Harke über eine Schultafel und zeichneten das Geräusch auf. Dann zerlegten sie den Klang in seine einzelnen Frequenzbereiche und untersuchten, welche Frequenzen besonders widerwärtig klingen.
Mittlere Frequenzbereiche schmerzen besonders
Überraschenderweise sind das nicht die schrillen, hohen Frequenzen, sondern eher die mittleren im Bereich. Sobald die Forscher diesen Frequenzbereich aus dem Geräusch entfernten, kam es den meisten Versuchspersonen viel weniger schauerlich vor. Blake und Kollegen stellten jedoch eine große Ähnlichkeit zwischen dem Kreischgeräusch und einem anderen Laut fest: dem Alarmruf von Schimpansen. Dieses durchdringende Kreischen erinnert auf bemerkenswerte Weise an Fingernägel auf einer Schultafel.
Könnte es sich bei der instinktiven Reaktion auf solche Klänge also um Überbleibsel aus der Frühzeit des Menschen handeln, als unsere Vorfahren vielleicht ähnliche Warnschreie benutzten? Eine andere Studie deutet zumindest auf die Möglichkeit hin: Im Gehirn löst das Kreischen eine typische Angst-Reaktion aus, fand ein Team um Sukhbinder Kumar von der Universität Newcastle heraus. Je unangenehmer ein Kratzgeräusch ist, desto aktiver wird die Amygdala – genau jene Hirnregion, die uns Angst verspüren lässt.
Resonanz im Ohrkanal?
Die Musikwissenschaftler Michael Oehler und Christoph Reuter konnten den unangenehmen Frequenzbereich sogar genau beziffern: Zwischen 2.000 und 4.000 Herzt kreischt es ihrer Studie zufolge besonders schauerlich. Sie spekulieren, dass die Form des menschlichen Ohres, insbesondere des Ohrkanals verantwortlich sein könnte. Resonanzeffekte verstärken die entsprechenden Frequenzen und machen das Ohr in diesem Bereich besonders empfindlich – soweit, dass das Quietschgeräusch schmerzhaft werden kann.
Ursache und Wirkung sind allerdings nicht eindeutig geklärt: Hat sich unser Ohr besonders empfindlich für Alarmschreie entwickelt, oder nutzen Affen – und möglicherweise Frühmenschen – für ihre Warnungen den empfindlichsten Frequenzbereich?
16.12.2014 – AKR