Fast überall auf der Welt küssen sich Menschen, die sich einander verbunden fühlen. Den erotischen Kuss gibt es sogar schon seit tausenden Jahren. Er hat sich offenbar bewährt, weil er uns nachweislich glücklich macht, die zwischenmenschlichen Bindungen stärkt und gesund hält. Aber wie viel Zeit widmen wir dieser vorteilhaften Tätigkeit eigentlich? Und wie lange dauert der „perfekte“ Kuss?
Ob zur Begrüßung, zum Abschied, einfach so, als romantische Geste oder als Balzritual – geknutscht wird überall, in fast allen Ländern und Bevölkerungsgruppen der Welt. „Küssen ist ein weit verbreitetes Verhalten, das in vielen Kulturen auf der ganzen Welt praktiziert wird“, sagt die Entwicklungspsychologin Julia Zwank von der SRH Fernhochschule. In unserem Kulturkreis pressen wir sanft oder leidenschaftlich unsere Lippen aufeinander und nehmen gelegentlich bei erotischen Küssen auch unsere Zunge mit hinzu. Auf diese Weise küssten sich Menschen schon vor mindestens 4.500 Jahren.
Kein Wunder, erzeugt doch das Küssen besonders angenehme Reize. Das liegt auch daran, dass unsere Lippen und Zunge viel empfindlicher sind als unsere sonstige Haut. „Die Lippen sind ein besonders sensibler Bereich des menschlichen Körpers. Sie sind mit zahlreichen Nervenenden ausgestattet, die sie extrem empfindlich für Berührungen machen“, erklärt Zwank.
76 Tage im Leben
Aber wie viel Zeit widmen wir eigentlich dem Küssen? Ein kleiner Schmatzer hier, ein ausgiebiger Kuss dort – da kommt schon einiges zusammen, oder? „Im Laufe seines Lebens ist ein Mensch durchschnittlich 76 Tage lang mit küssen beschäftigt“, berichtet Zwank. Zum Vergleich: Wir verbringen im Schnitt 60 Tage mit Lachen und fast 40 Tage mit Zähneputzen.
Wir legen also vergleichsweise viel Wert aufs Knutschen – und tun uns dabei was Gutes. Denn Küssen tut uns seelisch gut und macht glücklich. Der Grund: Beim Küssen werden in unserem Körper Neurotransmitter wie Dopamin, Oxytocin und Serotonin freigesetzt, die das Belohnungssystem in unserem Gehirn aktivieren. „Diese Stoffe sind mit Glücksgefühlen und Bindung verbunden, fördern Gefühle der Lust und Zufriedenheit“, so Zwank. Gleichzeitig werden durch Küsse weniger Stresshormone wie Cortisol ausgeschüttet, was uns entspannter macht.
Mehrmals am Tag
Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2023 küssen sich mehr als die Hälfte der Paare in Deutschland mehrmals am Tag. Einem Länderranking zufolge kommen Deutsche auf durchschnittlich vier Küsse pro Tag. Wie oft wir küssen und wie der perfekte Kuss aussieht, ist natürlich Geschmackssache. Tendenziell neigen Verliebte ihren Kopf dabei jedoch nach rechts – vermutlich wegen der Belohnungsreaktion in der linken Gehirnhälfte. Eltern und Kinder bei unromantischen Küssen neigen den Kopf hingegen eher nach links.
Doch wie lange sollte ein Kuss dauern, um Glücksgefühle auszulösen? „Forschende empfehlen den Sechs-Sekunden-Kuss, bei dem besonders viel Oxytocin ausgeschüttet wird, was ein Gefühl von psychologischer Sicherheit, Verbindung und Bindung schaffen kann“, sagt Zwank. In einer Umfrage aus dem Jahr 2017 gaben 58 Prozent der Deutschen an, dass ein „richtiger“ Kuss mindestens elf Sekunden dauere. Den Guinness-Rekord über den längsten Kuss hält ein Paar aus Thailand mit über 58 Stunden.
Küssen ist gesund
Wer dem nacheifern will, hat neben Spaß noch einen anderen Anreiz: Küssen ist auch körperlich gesund. Küsse stärken unser Immunsystem, weil schon bei einem einzigen Kuss über den Speichel rund 80 Millionen Bakterien übertragen werden. Darunter sind viele „gute“ Mikroben unserer Mundflora, die Krankheitserreger fernhalten.
Küsse erfüllen aber auch einen evolutionären Zweck: Sie sind wichtig für die Nähe und das Verbundenheitsgefühl in sozialen Beziehungen und fördern so zwischenmenschliche Bindungen. Zudem senden wir über Speichel und Haut beim Küssen chemische Botenstoffe aus, die unserem Kusspartner verraten, wie gesund wir sind und ob wir genetisch zusammenpassen. Biologisch betrachtet erhöht das die Chancen für gesunde Nachkommen.